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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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schließlich vom Meer verschluckt.

 
    5    Die marmornen Arkaden der Zentralmoschee von Riad glänzten in der Mittagssonne. Von der Spitze des Minaretts ertönte die klagende Stimme des Muezzins, der das zweite Freitagsgebet sprach. Dann verstummte der Lautsprecher, und die in lange weiße Gewänder, den Thobe, gehüllten Gläubigen strömten aus dem Gebetssaal und versammelten sich im Innenhof.
    Die hintere Tür eines Polizeibusses öffnete sich von innen, ein barfüßiger, mit Handschellen gefesselter Mann wurde aus dem Bus gestoßen. Ihm folgten zwei Polizisten.
    Zwei Männer entrollten eine Plane auf dem Boden. Aus dem Fahrerhaus stieg ein Polizist, der einen langen Krummsäbel in der Hand hielt; er ging auf einen bärtigen Riesen zu, der die Guthra, ein Kopftuch mit weißrotem Karomuster trug, und händigte ihm den Säbel aus.
    Zwei Polizisten verbanden dem Gefangenen die Augen, ließen ihn in der Mitte der Plane niederknien und zwangen ihn mit Fußtritten in die Rippen, sich zur Westseite des Hofes, Richtung Mekka, umzudrehen.
    Ein Mann in kerzengerader Haltung, der einen cremefarbenen Thobe trug, ging zu dem Gefangenen, ein Papier aus seinem Umhang ziehend. »Aziz Omari«, las er mit lauter Stimme, »das Gericht hat dich der Sodomie für schuldig befunden und dich zum Tode durch Enthaupten verurteilt. Möge Allah in seiner unendlichen Barmherzigkeit sich deiner erbarmen.«
    Ein vielstimmiges Allahu Akbar erhob sich aus der Menge.
    Der Henker zerschnitt die Luft mit zwei Säbelhieben und stellte sich mit gespreizten Beinen neben den Gefangenen. Er wippte in den Knien, hob den Krummsäbel bis über seinen Kopf und verharrte kurz mit gesenktem Blick in dieser Haltung. In der Stille sirrte die Klinge.
    Der Kopf fiel mit dumpfem Geräusch zu Boden, während ein Strom von Blut auf die Plane floss. Der Arzt eilte mit Arterienklemmen herbei, kniete nieder und machte sich am Körper des Toten zu schaffen.
    Einige Zuschauer gingen zu dem Henker, um ihm unter unaufhörlichem Allahu Akbar die Hand zu schütteln. Zwei Helfer wickelten den Leichnam in die Plane, zogen die Reißverschlüsse zu und trugen ihn zu dem Polizeibus. Die Polizisten stiegen ein und fuhren mit dem Bus davon. Ein Diener kam mit einem Eimer und warf mehrere Handvoll Sägemehl auf die Blutlachen.
    Der Mann mit der cremefarbenen Thobe verließ den Hof, ging auf einen schwarzen Mercedes S 500 zu, der auf dem Parkplatz der Moschee stand, und beugte sich zu dem hinteren Fenster hinunter. Der Mann im Inneren, dessen gebogene Nase an einen Geier erinnerte, streckte den Kopf heraus und hörte sich an, was ihm zugeflüstert wurde.

    Nachdem der Mercedes S 500 ein Marmorportal aus zwei Rundbögen hinter sich gelassen hatte, fuhr er durch Gärten nach englischem Vorbild, wo es zahlreiche Brunnen mit Wasserspielen gab. In der Ferne tauchten die Mauern aus rosafarbenem Marmor des Königspalastes auf.
    Mit perfekt synchronem Karabinersalut und Hackenschlag, der durch den leeren Flur hallte, standen die beiden Soldaten der Nationalgarde in Kakiuniform stramm. Der Sekretär klopfte an, trat beiseite, und Rashid Al Kaddafi betrat die Privatgemächer von Zoltan bin Zaid Al Hanna, Kronprinz des Königreichs Saudi-Arabien.
    » Assalamu’alaykum , möge der Frieden Allahs mit Euch sein, Königliche Hoheit«, sagte Al Kaddafi und verbeugte sich so tief, dass er den Teppich berührte.
    » W’alaykum as-salam , er sei ebenso mit dir«, sagte der Prinz, während er auf einen Sessel wies.
    Dichte Augenbrauen unter der blütenreinen Ghutra unterstrichen den durchdringenden Blick des Prinzen, und die dünnen Lippen verliehen seinem Mund einen grausamen Anstrich. Ein grauer Wanderfalke, dessen Kopf und Brust ins Rötliche spielten, hüpfte auf seiner Stange, ein Bein mit einem silbernen Kettchen an die Stange gefesselt.
    »Was bringst du mir für Neuigkeiten, Rashid?«
    »Königliche Hoheit, der Kopf dieses Verderbten ist gefallen.«
    »Wie hat die Menge reagiert?«
    »Viele haben dem Henker die Hand geschüttelt, in der Hoffnung, die Heiligkeit Allahs zu berühren, die seinen Arm geführt hat.«
    »Omari war ein bekannter Journalist. Gab es Proteste?«
    »Proteste? Wer würde es je wagen, gegen das Todesurteil für einen Sodomiten zu protestieren?« Al Kaddafi hob einen Finger zum Himmel. »›Und wenn zwei eurer Männer die schändliche Tat begehen, dann tötet sie.‹ Es ist Allahs Wille.«
    »Allahs Wille geschehe. Ach, da ist noch etwas, Rashid. Wenn der Minister

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