Curia
sehr schätzen würde, meinen Sie nicht?«
»Nein danke. Die Szenerie ist zweifellos idyllisch, aber mein Bruder hat etwas anderes verfügt. Nur keine Sorge, wenn ich an die Reihe komme, werde ich mich an diesen Ort erinnern, das verspreche ich Ihnen.«
»Schade, wirklich schade, aber ich verstehe Sie.«
Der Tonfall des Mannes war aufrichtig bedauernd.
Zwei Stunden später betrat Théo die Abflughalle des Flughafens Leonardo da Vinci. Mit der einen Hand zog er einen Koffer hinter sich her, in der anderen hielt er einen runden Pappbehälter. Er blieb vor der elektronischen Abfluganzeige stehen und suchte seinen Flug. OA 234 Athen, 11:00 Uhr. In time.
Während er wartete, bis der Flug aufgerufen wurde, ging er in den Zeitungsladen, schenkte den Tageszeitungen keine Beachtung und blieb vor den ausgelegten Büchern stehen. Er griff nach einem schmalen Bändchen mit blauem Einband und goldenen Leisten. Eine Weile blickte er auf den Titel, dann blätterte er in den ersten Seiten und überflog das Inhaltsverzeichnis. Er nahm das Bändchen und ging damit zu Kasse.
Die Boeing 737 raste über die Piste des Flughafens von Athen. Die Motoren drehten sich quälend, die Maschine löste sich vom Boden und erhob sich in Richtung Kos.
Théo öffnete den schwarzen Ordner, blätterte und suchte das lateinische Pergament heraus. Es trug das Datum des 29. Juni 391 A.D. Theophilos, der Patriarch von Alexandria, schrieb an den Papst Siricius. Am Rand der ersten Seite prangte eine verblichene Abbildung. Mit beseeltem Blick, das Haupt von einem Heiligenschein gekrönt und die Evangelien an die Brust gedrückt, thronte Theophilos in der Haltung eines Eroberers auf der Spitze des Serapis-Tempels.
Sanctissime Pater ,
nachdem Kaiser Theodosius das Dekret über die Schließung der heidnischen Tempel auf Ägypten ausgedehnt hat, habe ich den Mönchen von Nitra unverzüglich befohlen, den Tempel des Serapis zu stürmen. Wie ich vorhersah, haben die Tempelpriester Widerstand geleistet, was uns die Gelegenheit bot, ihn zu zerstören.
Darauf sind meine Mönche in die Königlichen Gärten eingedrungen, haben das Museion überfallen und die Große Bibliothek dem Feuer übergeben. Die Flammen, die vom Brucheion im Norden und vom Hügel Rhakotis im Süden aufstiegen, haben die Nacht in Alexandria zum Tage gemacht.
Hätte ich sie etwa daran hindern sollen? Wer bin ich denn, dass ich die Hand Gottes aufhalte? Theodosius wird mir kaum Vorwürfe machen können, wenn ich ihm sage, dass meine Mönche gezwungen waren, so zu handeln, weil die Heiden ihnen bis aufs Blut Widerstand entgegensetzten. Die Demütigung coram populo , welche der Bischof Ambrosius ihm am Weihnachtstag des vergangenen Jahres im Dom von Mailand bereitete, brennt noch immer in seiner Seele, darum bezweifle ich, dass der Kaiser es wagen wird, erneut den Zorn der Heiligen Römischen Kirche zu erregen.
[…]
Viele Monate lang hatten meine Getreuen, die sich als Forscher ausgaben, die Große Bibliothek durchsucht. Sie hatten alle Papyri aus den Tempeln von Heliopolis, Luxor und Theben überprüft, ohne etwas zu finden. Und dennoch war ich sicher, dass sich in diesem Nest von Heiden etwas verbergen musste, das für die Kirche von allergrößter Bedeutung ist.
Ein Papyrus aus Heliopolis hatte meine Aufmerksamkeit erregt. Es ging darin um zwei Obelisken, die Thutmosis III. zur Feier seines dreißigsten Regierungsjahrs erbauen und vor dem Tempel des Ra in Heliopolis aufstellen ließ. Heute stehen diese beiden Obelisken vor dem Caesarium in Alexandria. Auf Befehl Echnatons soll der Hohepriester von Heliopolis im Inneren des kleineren Obelisken etwas versteckt haben, doch ich weiß nicht, was das war, denn an dieser Stelle war das Pergament unleserlich.
Da mir diese Geschichte unwahrscheinlich erschien und der Papyrus zudem kein Original war, sondern eine von den Skribenten der Großen Bibliothek angefertigte Kopie, bezweifle ich seine Echtheit und habe daher nichts unternommen.
Théo blickte aus dem Fenster. Einer der beiden Obelisken stand heute in London am Victoria Embankment der Themse, der andere in New York, mitten im Central Park. Welcher war der kleinere?
Ein Versteck in einem Obelisken? Die Ägypter pflegten Gegenstände und Papyri in Hohlräumen zu verstecken, die sie im Inneren von Grabstatuen gegraben hatten, aber nicht in Obelisken. Er konnte sich an keinen Präzedenzfall erinnern, außer dem der zwei Säulen des Thoth, eine Legende – allerdings eine Legende, die
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