Curia
für Islamische Angelegenheiten die Nachricht an die Presse gibt, sollten wir Hinweise auf die regierungskritischen Positionen vermeiden, die Omari in seinen letzten Artikeln vertreten hatte. Das Volk könnte das missverstehen.«
»Selbstverständlich, doch Ihr könnt beruhigt sein, Hoheit. Alle wissen, dass dieser Entartete hingerichtet wurde, weil sein widernatürliches Verhalten Allah beleidigt hat.«
Der Prinz drehte seinen Sessel zum Fenster hin und strich sich über sein Spitzbärtchen, den Blick in den Gärten verloren. Er sagte, bei seinem Stiefbruder, Prinz Jamal, dem Innenminister, seien schon wieder Klagen über die Muttawa, die islamische Religionspolizei, und über die Mutawwa’in Al Kaddafis eingegangen. Einige Polizisten hatten eine Frau auf dem Markt von Batha mit Stockhieben traktiert und eine andere mitten im Zentrum von Riad verhaftet, die dann angeblich auf einer Polizeistation blutig gepeitscht wurde.
»Dergleichen Zwischenfälle drohen dem Ansehen unserer Familie zu schaden. Warum nicht eine weichere Gangart einschlagen?«
» Eine weichere Gangart ? Aber Eure Hoheit, eines dieser schamlosen Weiber trug eine Abaja, unter der sich ihre Körperformen abzeichneten, und die andere lief mit unbedecktem Gesicht herum, die Lippen rot geschminkt. Und keine der beiden wurde von einem Bruder, dem Vater oder einem Ehemann begleitet!«
»Worte können manchmal überzeugender sein als die Peitsche.«
»Verlangt Eure Hoheit etwa von mir, dem Koran untreu zu werden?«
Der Prinz seufzte. »Nein, natürlich nicht.«
»Wenn wir nachgäben, würden wir so enden wie unsere Nachbarn. Seht Euch an, was in den Emiraten passiert, von Ägypten ganz zu schweigen: Alkohol, Drogen, Pornographie!« Al Kaddafi hob den Arm zu einer prophetischen Pose: »›Denen, die glauben und tun, was recht ist, wird er ihren vollen Lohn und von seiner Huld noch mehr geben.‹«
In den kalten Augen des Prinzen blitzte Ironie auf. »Das Reich kann sich glücklich schätzen, dass es auf Diener wie dich zählen kann, die den Worten des Propheten blind gehorchen.«
»Allah sei gelobt.« Al Kaddafi zog sich mit einer Verbeugung zurück.
»Möge Allah uns segnen.« Der Prinz reichte dem Falken ein Stück Fleisch. Der packte es mit seinem krummen Schnabel, schluckte es hinunter und stieß einen hellen Schrei aus.
Prinz Zoltan trat in das Arbeitszimmer des Königs Faisal und schloss die Tür hinter sich.
Seine Schritte wurden von einem Teppich gedämpft, in dessen Mitte zwei gekreuzte Krummsäbel unter einer Palme gewebt waren. Zwei Reihen maurischer Kandelaber beleuchteten die lebensgroßen Porträts der Vorfahren des Geschlechts der Al Hanna an den Wänden.
König Faisal, dem die Brille auf die Nase über dem langen, grau melierten Ziegenbart gerutscht war, saß tief in einen Sessel mit hoher Rückenlehne und vergoldetem Rahmen versunken und las im Schein einer Jugendstillampe. Er blickte zu Zoltan auf.
»Erledigt?«, fragte König Faisal.
»Erledigt.« Der Prinz setzte sich.
»Ich frage mich, wie lange wir Al Kaddafi und seine Fanatiker noch in Schach halten können. Ganz zu schweigen von den Muftis und Imamen, die im Schatten des Ministeriums für Islamische Angelegenheiten ihre Ränke spinnen.«
»Wie könnten wir uns ohne den Fanatismus eines Al Kaddafi von Quälgeistern wie Omari befreien? Ein Vorwand im Koran, die Anschuldigungen einiger bestochener Zeugen, und den Rest erledigt der Henker.«
»Die Muttawa ist eine wilde Bestie, die uns früher oder später in die Hand beißen wird«, sagte König Faisal.
»Eine Bestie, die uns so nötig braucht wie wir sie.«
»Bist du dir so sicher?«
König Faisal zeigte Prinz Zoltan die neueste Ausgabe der »Atlantic Monthly«, auf deren Titelseite König Faisal mit der Überschrift »Der Fall des Hauses Al Hanna« abgebildet war. Er blätterte in der Zeitschrift. »Hör dir an, was sie schreiben.«
Trotz der Erdöleinkünfte wachse das Defizit des Königreichs unverhältnismäßig schnell. Das Pro-Kopf-Einkommen, noch vor fünfundzwanzig Jahren so hoch wie das der USA , sei auf das Niveau der Länder in der Dritten Welt gesunken, während die Angehörigen des Königshauses, ein Heer von 13 600 Personen, dreißig Prozent der Staatseinnahmen kassierten. Die königliche Familie werde beschuldigt, mit den Amerikanern gemeinsame Sache zu machen und einen lauen Islam zu praktizieren. In der Bevölkerung wachse die Unzufriedenheit von Tag zu Tag. Das Land bringe andauernd neue Osama
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