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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Nacht des Lichterfestes nach Sais ging, war er nicht mehr derselbe«, sagte ein Dritter. »Auch ich war in jener Nacht an Bord von Atons Glanz . Doch was geschah im Großen Phönix-Tempel? Sprich du, Thutmosis. Dir hat er sich anvertraut, als du seine Statuen schufst.«
    »Als ich ihn danach fragte, sagte er, das sei ein Geheimnis der Initiierten. Ich habe nur verstanden, dass er das Licht anbetete oder eher etwas, was das Licht hervorbrachte.«
    »Du meinst Aton?«
    »Nein. Die Sonnenscheibe Atons sei nur ein Sinnbild, sagte er.«
    »Ach, was immer es ist, sein Wahn hat uns ins Verderben gestürzt. Er hat sogar gewagt, uns den Namen wegzunehmen. Ich hieß Ptahtmose, und seinetwegen muss ich mich jetzt Mose nennen lassen, wie Tausende und Abertausende anderer Ägypter auch.«
    Er erzählte von den Ägyptern, die ihren Namen verloren hatten, als der Pharao all jenen, deren Name den einer Gottheit enthielt, befahl, diesen Namen zu tilgen und sich fortan nur noch »Sohn von« zu nennen. Wie konnte der Pharao vergessen, dass der Name eines Menschen untrennbar zu seinem ka gehörte?
    »Mose? Sohn von wem denn? Auf dem Schiff des Ra ist kein Platz für die Namenlosen. Ein ka ohne Name ist dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit im Duat umherzuirren!«
    Ein zustimmender Chor erhob sich. Es waren Sobekmose, Minmose, Wadjomose, Thuthmose und Hapimose im Lager und viele andere, denen es so ging wie ihnen.
    »Wenn wir Ägypten verlassen haben«, sagte ich zu seiner Verteidigung, »wird auch er sich Mose nennen, damit er euch gleich wird.«
    Doch sie spotteten des Pharaos, nannten ihn verrückt und unwürdig des königlichen Blutes, das in seinen Adern floss. »Denkt an die asiatische Seuche! Er selbst hat vier Töchter verloren, die Große Königliche Gemahlin, die Königsmutter Tiye und die Große Lieblingsnebenfrau Kiya. Glaubt ihr, ein echter Gott hätte das zugelassen? Die Pest ist die Strafe Amuns, weil er die Götter der Zwei Länder verraten hat!«
    »Töten wir ihn«, flüsterte jemand.
    »Ja, ja, töten wir ihn!«, wiederholten andere. »Dann kehren wir nach Theben zurück, bitten Semenchkare um Vergebung und opfern Amun.«
    Als ich an jenem Abend mit dem Pharao beim Essen vor seinem Zelt saß, versuchte ich mit heuchlerischen Worten, ihn das Geschehene vergessen zu machen, und unterdessen mischte ich den Extrakt von Bilsenkraut in seinen geharzten Wein. Nach dem Essen sagte er, er fühle sich plötzlich sehr müde. Mit schwankenden Schritten zog er sich in sein Zelt zurück. Wir hörten ihn stöhnen und sich auf dem Lager wälzen. Dann war alles still.
    Noch in derselben Nacht schickten wir zwei Boten nach Theben, um Vergebung zu erflehen. Allein, wir mussten entdecken, dass Semenchkare, der Halbbruder des Pharaos, schon im Tal der Könige ruhte. Er hatte nur eine Jahreszeit lang auf dem Thron gesessen, und niemand wusste, wie er gestorben war. Jetzt saß Tutanchaton auf dem Thron, sein Sohn, ein Kind von neun Jahren, dessen Name Tutanchamun geworden war. Um seiner Regentschaft einen Anstrich von Rechtmäßigkeit zu verleihen, hatte man ihm Anchesenpaaton zur Frau gegeben, welche jetzt Anchesenamun hieß. Doch wer wirklich über die Zwei Länder herrschte, war Ay, der neue Wesir, und er wurde unterstützt von Horemheb und seinem Heer. Ay ließ einen unserer Boten vor den Mauern Thebens pfählen und den zweiten blutig peitschen. Dann schickte er ihn mit dieser Botschaft zu uns zurück: »Wenn ihr zurückkommt, wird es euch ebenso ergehen, und die Amun-Priester werden eure Körper den Schakalen zum Fraße vorwerfen.«
    Jetzt, da sein Zelt leer ist, werden wir von Gewissensbissen gequält, denn erst jetzt erkennen wir, dass er ein guter Mensch war, ein Mann, der nach der Wahrheit lebte.
    Wir haben ihn getötet, weil die Güte nicht von dieser Welt ist. Wer Gutes tut, den hassen die Menschen, weil sie denken, er sei ein Schwächling oder ein Verrückter oder tue es in böser Absicht. Am Ende bleibt der Gute allein, allen verhasst, und muss das Verbrechen seiner Güte teuer bezahlen.
    Der Mensch ist nie gut gewesen, er ist es heute nicht und wird es nie sein. Er kam aus dem uranfänglichen Chaos des Nun als untrennbare Verschmelzung von Gut und Böse, doch jedes Mal, wenn er vor einer Entscheidung steht, die seine Interessen bedroht, ist der Schrei der Bosheit lauter als die Stimme Maats.
    Ich, Thutmosis, der Verwerflichste aller Menschen, schreibe diesen Papyrus in der Wüste im Lande Midian, im ersten Jahr der Regierung von

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