Cut
geschickt.
«Ich brauche Auskünfte über eine ehemalige Studentin», sagte ich ihr. «Sie müsste etwa vor sechzehn Jahren ihr Studium begonnen haben. Bin ich hier richtig?»
Mary Dailey war vielleicht fünfzig Jahre alt, hatte braunes Haar mit einer grauen Strähne und braune Augen, die kaum von Falten umgeben waren.
«Sie sagten, Sie sind Detektivin?»
«Privatdetektivin», sagte ich nickend. «Ich arbeite als Beraterin an einem Fall in Atlanta, der …»
«Können Sie sich ausweisen?»
«Selbstverständlich», antwortete ich. «Die Polizei von Atlanta kann es auch bestätigen. Lieutenant Aaron Rauser vom Morddezernat.»
Ich gab ihr Rausers Handynummer. Da ich nicht offiziell hier war, wollte ich vermeiden, dass sie in der Zentrale der Polizei anrief.
Sie nahm den Zettel mit der Nummer und betrachtetemeinen Ausweis. «Sie wollen etwas über Anne Chambers wissen?»
Ich nickte. «Ich würde mir gerne alle Unterlagen ansehen, die Sie über Anne haben. Wissen Sie etwas über ihre Freunde, ihre Familie, über ihr Privatleben? Soweit ich weiß, war sie im zweiten Jahr, als sie ermordet wurde.»
«Sechzehn Jahre sind eine lange Zeit, Ms. Street. Ich bin erst seit fünf Jahren hier.»
«Aber Sie kannten ihren Namen und wussten, warum ich hier bin.»
«Ja», sagte sie. Ich konnte das Bedauern in ihrem Ton hören. «Wir haben mit diesen Nachforschungen gerechnet, seit man ihre Ermordung mit den Fällen in Atlanta in Verbindung gebracht hat. Ehrlich gesagt, hier hat sich niemand darauf gefreut. Solche Dinge macht man nicht gerne publik.»
«Ich verstehe», sagte ich. «War vor mir schon jemand hier?»
«Vor ungefähr sechs Wochen, nachdem der Mord an Anne in Zusammenhang mit denen in Atlanta und dem in Jacksonville gebracht wurde, war ein Polizist aus Jacksonville hier. Doch nach den ganzen aktuellen Meldungen aus Atlanta wussten wir, dass bald wieder jemand kommen würde.»
«Wir?»
«Die Mitarbeiter hier. Wir reden natürlich darüber.» Sie zögerte. «Ich kann Ihnen die Jahrbücher aus ihrer Zeit an der FSU zeigen, wenn Ihnen das hilft, und Ihnen ein paar allgemeine Informationen geben, aber unsere Akten können wir nicht herausgeben.»
«Hm, also ein Durchsuchungsbefehl könnte schnell ausgestellt werden», sagte ich liebenswürdig. «Und dann tauchen hier eine Menge von Polizisten auf, die den ganzen Campusumkrempeln. Es sei denn, Sie helfen mir. Ich verspreche Ihnen, sehr zurückhaltend und diskret zu sein.»
Ihr Mundwinkel zuckte fast unmerklich. «Kann ich Sie später anrufen? Wo sind Sie abgestiegen?»
«Ich habe mir noch kein Hotel gesucht. Ich bin direkt von Atlanta hierhergefahren.» Ich schrieb ihr meine Handynummer auf die Rückseite einer Visitenkarte.
«Soviel ich weiß, wohnte Anne auf dem Campus. Besteht die Möglichkeit, dass ich das Zimmer sehen kann, bevor ich gehe?»
Mary Dailey erhob sich steif von ihrem Stuhl. «Ich muss erst herausfinden, in welchem Wohnheim sie gewohnt hat. Der Campus ist sehr groß. Würden Sie mich entschuldigen?»
Sobald sie weg war, schlich ich um ihren Schreibtisch herum. Das Besucherzentrum hatte mein Kommen mit Sicherheit telefonisch angekündigt. Richtig. Auf ihrer Schreibtischunterlage standen mein Name, Anne Chambers’ Name, die Jahre, in denen sie eingeschrieben war, sowie die Worte ermordet, Smith-Haus, W. Campus. Ich fragte mich, was der wahre Grund dafür war, dass Mary Dailey ihr Büro verlassen hatte. Ich beeilte mich, wieder auf die richtige Seite ihres Schreibtisches zu kommen, und versuchte, so unschuldig wie möglich auszusehen.
«Würden Sie mir bitte folgen, Ms. Street? Ich zeige Ihnen Ms. Chambers’ Wohnheim. Seit sie hier gewesen ist, hat es eine Menge Umbauarbeiten gegeben, aber ich nehme an, das spielt für Ihre Ermittlung keine Rolle.»
«Aber ist denn prinzipiell noch alles so wie damals?»
Mary Dailey nickte. «Ich kann Ihnen einen Campusplan aus der Zeit geben, aber viel hat sich tatsächlich nicht verändert.»
«Also hat die Person, mit der Sie jetzt sprechen mussten, Ihnen gesagt …»
«Dass ich Ihnen helfen soll, richtig», unterbrach sie mich ruhig.
«Den Plan hätte ich gerne. Hatte Anne Chambers eine Mitbewohnerin?»
«Mitbewohnerinnen.» Mary Dailey nickte und gab mir die Namen. «Ms. Street, hier möchte niemand eine Mordermittlung behindern. Wir wollen nur sicherstellen, dass die Ermittlung keine negativen Auswirkungen für uns hat. Die Öffentlichkeit hat den Fall Anne Chambers vergessen.
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