Cyber City
sie, gar nichts zu fühlen. Durham hatte seine Vorstellungen systematisch weiterverfolgt, bis es nicht mehr ging; entweder war er jetzt von seinem Wahn befreit – oder reif für die nächste nanochirurgische Behandlung. Sie konnte nichts daran ändern. Sie begann sich einzureden, daß ihre Unterstützung bei seinem Projekt – obwohl sie erklärtermaßen die Schlußfolgerungen abgelehnt hatte – vielleicht dazu beigetragen hatte, seine Wahnvorstellungen auszutreiben … aber das war es nicht. Sie hatte alles nur wegen des Geldes getan. Für Francesca. Und für sich selbst. Um den Schmerz über den Tod Francescas zu vermeiden. Wie konnte diese Frau es wagen, abzulehnen?
Kopien dienten schließlich genauso wie Begräbnisse dem Trost der Hinterbliebenen.
Durham war plötzlich verstummt. Er setzte sich neben sie. Er wirkte zerknirscht und hatte sich die Haare gerauft. Maria war sich nicht sicher, ob er sich nun beruhigt hatte oder nur einen neuen Anlauf nahm. Es war halb drei nachts; die Musik war schon vor Stunden verstummt. Kein Laut war in der Wohnung zu hören.
»Ich habe mich gehen lassen«, sagte er. »Entschuldigen Sie.«
Außer dem Tisch waren die beiden Drehstühle, auf denen sie den ganzen Tag gesessen hatten, die einzigen Möbelstücke im Zimmer. Es gab kein Sofa, auf dem sie hätte schlafen können, und der Fußboden war hart und kalt. Maria überlegte, ob sie sich jetzt auf den Heimweg machen sollte; sie konnte noch eine Bahn erreichen und ihr Rad später abholen.
Sie stand auf; ohne nachzudenken beugte sie sich zu Durham hinunter und küßte ihn auf die Stirn.
»Wiedersehen.«
Bevor sie sich wieder aufrichten konnte, hatte er eine Hand auf ihre Wange gelegt. Seine Finger waren kühl. Sie zögerte, dann küßte sie ihn auf den Mund – und zuckte ärgerlich über sich selbst zurück. Ich fühle mich schuldig, er tut mir leid, ich will nur etwas gutmachen. Er sah ihr in die Augen, plötzlich völlig nüchtern. Sie hatte das Gefühl, daß er ihre Gedanken las – den ganzen Knoten aus Verwirrung und Scham verstand – und daß er sie scheinbar trösten wollte.
Sie küßten sich erneut. Sie war sich sicher.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer zogen sie sich gegenseitig die Kleider aus. Er sagte: »Sag mir, was du magst … sag mir, was dir gefällt. Ich habe es schon sehr lange nicht mehr gemacht.«
»Wie lange?«
»Einige Leben.«
Er hatte eine geschickte und ausdauernde Zunge. Fast wäre sie gekommen – aber kurz davor brach alles in einzelne Sinneseindrücke auseinander: jeder für sich angenehm, aber bedeutungslos, ein wenig absurd. Sie schloß die Augen, wollte unbedingt kommen, aber es war, als wollte man sich ohne Grund zum Weinen zwingen. Behutsam schob sie ihn von sich. Er beschwerte oder entschuldigte sich nicht, stellte keine dummen Fragen; das gefiel ihr.
Sie ruhten, und Maria begann, seinen Körper zu erforschen. Wahrscheinlich war er der älteste Mann, den sie je nackt gesehen hatte – mit Sicherheit der älteste, den sie je berührt hatte. Fünfzig. Er war … eher schlaff als schwammig; seine Muskeln waren abgemagert, statt sich in Fett zu verwandeln. Es war unmöglich, sich Aden vorzustellen – vierundzwanzig, hart wie eine Statue –, wie er in dem Alter sein würde. Doch es würde kommen. Genauso, wie es bei ihrem eigenen Körper schon angefangen hatte.
Sie glitt nach unten und nahm seinen Penis in den Mund, versuchte, die Fremdartigkeit der Situation zu unterdrücken, versuchte, sich an dem scharfen Geruch zu berauschen. Sie arbeitete mit Zunge und Zähnen, bis er sie bat, aufzuhören. Unbeholfen wälzten sie ihre Körper, bis sie nebeneinander lagen. Er drang in sie ein und kam sofort. Er schrie auf, keuchte, nicht vor Lust, sondern vor Schmerz. Er preßte die Zähne zusammen und wurde aschfahl, während er sich von ihr löste. Sie hielt ihn an den Schultern, bis er endlich reden konnte: »Mein … mein linker Hoden hat sich verkrampft. Das … das passiert manchmal. Es fühlt sich an, als wäre er in einen Schraubstock geklemmt.« Er lachte und blinzelte die Tränen aus den Augen. Sie küßte ihn und strich mit einem Finger über seine Leiste.
»Das ist ja schrecklich! Tut es noch weh?«
»Ja. Hör nicht auf.«
Später war es ihr unangenehm, ihn zu berühren; seine Haut war klamm, nachdem ihr Schweiß getrocknet war. Als er scheinbar eingeschlafen war, löste sie sich aus seiner Umarmung und rückte zur Bettkante.
Sie wußte nicht genau, was sie damit erreicht hatte: Hatte
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