Cyberabad: Roman (German Edition)
junge Mädchen wie sie heranzukommen. Allerdings praktiziert er Tantra-Sex und kann seinen Schwanz eine Stunde lang in einer Frau steif halten, während er singt. Bislang ging es beim Tantra mit Bernard darum, dass sie auf seinem Schoß hockt, zwanzig, dreißig, vierzig Minuten lang, und dabei an einem Lederriemen zieht, der um seinen Schwanz gebunden ist, damit er hart hart hart bleibt, bis er die Augen verdreht und sagt, dass sein Kundalini aufsteigt, was bedeutet, dass die Drogen endlich Wirkung zeigen. Das entspricht nicht Najias Vorstellung von Tantra. Er entspricht nicht Najias Vorstellung von einem Liebhaber. Satnam genauso wenig, und zwar größtenteils aus denselben Gründen. Aber es ist eine Idee, ein Spiel, ein Warum nicht? Najia Askarzadah hat sich jenen Teil ihres zweiundzwanzigjährigen Lebens, den sie selbstverantwortlich führen konnte, vom Warum-nicht? -Prinzip leiten lassen. Ein Warum nicht? hat sie nach Bharat gebracht, gegen den Rat ihrer Lehrer, Freunde und Eltern.
New Varanasi geht in einer diskontinuierlichen Aneinanderreihung in Alt-Kashi über. Straßen beginnen im einen Jahrtausend und enden in einem anderen. Schwindelerregende Firmentürme ragen über einem Chaos aus Gassen und Holzhäusern auf, die in vier Jahrhunderten unverändert geblieben sind. Metroviadukte und Hochstraßen zwängen sich an Sandstein-Lingas zerfallender Tempel vorbei. Der widerliche Gestank verrottender Blütenblätter durchdringt sogar die permanenten Ausdünstungen der Alkoholmotoren, und alles vermischt sich zu einem urbanen Parfüm, mit dem sich die Stadt ihre kloakalen Körperöffnungen betupft. Bharat Rail beschäftigt Leute, die mit Reisigbesen die Blütenblätter von den Gleisen fegen. Kashi bringt sie milliardenfach hervor, und die stählernen Räder kommen damit nicht zurecht. Der Phatphat biegt in eine dunkle Gasse mit Textilgeschäften. Bleiche Plastikpuppen, arm- und beinlos, aber nichtsdestotrotz lächelnd, baumeln an hohen Gestellen.
»Darf ich fragen, wohin Sie mich bringen?«, sagt Satnam.
»Sie werden es früh genug erfahren.« In Wirklichkeit ist Najia Askarzadah noch nie da gewesen, aber seit sie gehört hat, dass sich die Australier damit brüsteten, wie mutig sie waren, sich dorthin zu wagen, ohne dass es sie angewidert hätte, ganz und gar nicht, hat sie nach einem Vorwand gesucht, diesen hintersten Hinterhofclub aufzusuchen. Sie hat keine Ahnung, wo sie sind, aber sie vermutet, dass der Fahrer auf dem richtigen Weg ist, als die hängenden Schaufensterpuppen offenen Ladenfronten mit Huren weichen. Die meisten haben die westliche Standarduniform aus Lycra und überbetonter Fußbekleidung übernommen, doch ein paar sind der Tradition treu geblieben und präsentieren sich in Stahlkäfigen.
»Hier«, sagt der Phatphat-Fahrer. Die kleine Plastikblase in Wespenfarben schaukelt auf den Stoßdämpfern.
Kampf! Kampf! , verkünden abwechselnd zwei Neonschriftzüge über der winzigen Tür zwischen dem Geschäft für Hindu-Ikonen und den Huren, die am Chai-Stand Limca trinken. Ein Kassierer sitzt in einer Blechkammer neben der Tür. Er sieht aus wie dreizehn oder vierzehn, und er hat unter seiner Nike-Mütze bereits alles gesehen. Hinter ihm führen Treppenstufen hinauf in grelles Neonlicht.
»Eintausend Rupien«, sagt er, die Hand ausgestreckt. »Oder fünf Dollar.«
Najia bezahlt inländisch.
»Das ist nicht unbedingt das, was ich mir für ein erstes Date vorgestellt hatte«, sagt Satnam.
»Date?«, sagt Najia, während sie ihn die Treppe hinaufführt, die aufsteigt, abbiegt, absteigt, wieder aufsteigt und schließlich die Galerie über der Arena erreicht.
Der große Raum war früher ein Lagerhaus. Kränklich grüne Farbe, Industrielampen mit freiliegenden Kabeln und Dachfenster mit Jalousien erzählen von der Vergangenheit des Gebäudes. Jetzt ist es eine Kampfarena. Um ein fünf Meter durchmessendes Sechseck aus Sand sind Reihen von Holzbänken angeordnet, die wie in einem Vortragssaal steil ansteigen. Alles ist neu eingerichtet worden, aus Bauholz, das von der unterfinanzierten Varanasi Area Rapid Transit gestohlen wurde. Die Verkaufsstände sind mit den Platten von Verpackungskisten getäfelt. Als Najia die Hand vom Geländer nimmt, ist sie klebrig vom Harz.
Das Lagerhaus wogt, von den Wettständen und Kämpferbuden unten am Ring bis zu den hintersten Reihen der Galerie, wo Männer in karierten Arbeitshemden und Dhotis auf den Bänken stehen, um einen besseren Blick zu haben. Das Publikum
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