Cyberabad: Roman (German Edition)
stürzt zum Motor. Einmal ziehen, zweimal ziehen. An der sandigen Böschung steigt der Jäger einen Schritt hinunter, um besser zielen zu können. Dreimal ziehen. Der Motor springt an. Das Boot rast davon. Ramanandacharyas Maschine macht einen Satz und landet bis zu den Kniegelenken im Wasser. Der Kopf richtet sich auf das Ziel aus. Yogendra steuert das Boot zur Mitte des Stroms. Der Roboter watet ihnen hinterher. Dann erinnert sich Shiv an Anands clevere kleine Granate, die er in einer seiner Taschen hat. Kugeln lassen das Wasser hinter Yogendra im Heck explodieren. Er duckt sich. Der Brahmane am Ufer geht in die Hocke, hält sich die Hände über den Kopf. Die Granate fliegt in einem anmutigen, glitzernden Bogen durch die Luft. Sie fällt platschend ins Wasser. Nichts ist zu sehen, nichts ist zu hören, nur ein winziges Knacken, als sich die Kondensatoren entladen. Der Roboter erstarrt. Die Waffenläufe richten sich himmelwärts, zerreißen die Dämmerung mit Kugeln. Seine Knie knicken ein, und er geht unter wie ein Gunda mit Bauchschuss. Die Mandibeln und Greifer spreizen sich, und er kippt vornüber in den Schlick. Der weiche silbrige Treibsand hat ihn im nächsten Moment verschluckt.
Shiv steht im Boot. Er zeigt auf den erledigten Roboter. Er lacht, laut, hilflos und freudig. Er kann nicht mehr aufhören. Tränen laufen ihm übers Gesicht und vermischen sich mit dem Regen. Er kann kaum noch atmen. Er muss sich setzen. Es schmerzt, es schmerzt.
»Hätte ihn doch kaltmachen sollen«, murmelt Yogendra an der Pinne. Shiv winkt ab. Nichts kann ihn aufhalten oder umstimmen. Das Lachen geht in Freude über, die simple sengende Ekstase, dass er am Leben ist, dass es jetzt vorbei ist. Er streift den klobigen Bodhisoft ab, legt sich rücklings auf die Bank, lässt sich den Regen aufs Gesicht fallen und blickt hinauf zu den purpurroten Wolkenstreifen, mit denen sich ein neuer Tag über seinem Varanasi entfaltet, ein neuer Tag für Shiv. Raja Shiv. Maha Raja. Raja der Rajas. Vielleicht wird er wieder für die Naths arbeiten, vielleicht wird sein Name ihm jetzt viele Türen öffnen. Vielleicht macht er sein eigenes Geschäft auf, aber keine Körperteile, kein Fleisch, weil Fleisch verräterisch ist. Vielleicht geht er zu diesem Lavda Anand und macht ihm ein Angebot.
Er kann wieder Pläne schmieden. Und er kann Tagetes riechen.
Ein kleines Geräusch, eine kleine Bewegung des Boots.
Das Messer gleitet so mühelos hinein, so schmal und sauber, so scharf und rein, dass Shiv gar nicht weiß, wie er dem Schock Ausdruck verleihen soll. Es ist exquisit. Es ist unaussprechlich. Die Klinge sticht ungehindert durch Haut, Muskeln, Blutgefäße, die gezahnte Schneide kratzt an einer Rippe entlang, bis die hakenförmige Spitze in seiner Lunge zur Ruhe kommt. Es gibt keinen Schmerz, nur die Empfindung von perfekter Schärfe – und von Blut, das in seiner punktierten Lunge aufschäumt. Die Klinge zuckt in ihm mit dem Pulsschlag seines Körpers. Shiv versucht zu sprechen. Die Laute knacken und gurgeln, ohne Worte zu bilden. Dann zieht Yogendra das Messer heraus, und der Schmerz kreischt aus Shiv heraus, als der Haken an seiner Lunge zerrt. Er dreht sich zu Yogendra um, die Hände erhoben, um den nächsten Hieb abzuwehren. Das Messer stößt erneut vor, und Shiv fängt es zwischen Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand auf. Die Klinge schneidet tief hinein, bis zum Gelenk, aber er hält es fest. Er hält es fest. Nun kann er das hektische Schnaufen zweier Männer hören, die in einen Kampf um Leben und Tod verwickelt sind. Sie schlagen in verzweifelter Stille aufeinander ein, während das Boot wankt. Mit der freien Hand will Yogendra nach dem Palmer greifen. Shiv schwingt den Arm, versucht Yogendra zu packen, irgendetwas. Er bekommt die Perlenkette um den Hals des Jungen zu fassen, zieht daran, hält sich daran fest, um nicht zu stürzen. Yogendra reißt das Messer aus Shivs Hand, sägt mit der Schneide am Knochen. Shiv stößt ein helles, klagendes Wimmern aus, das in ein blutiges, ertränktes Gurgeln übergeht. Sein Atem umflattert den Rand der Wunde. Dann sieht Shiv die Abscheu, die Verachtung, die animalische Arroganz und Geringschätzung, die das graue Licht in Yogendras Gesicht offenbaren, und er weiß, dass der Junge schon immer all das für ihn empfunden hat, dass diese Klinge von Anfang an hatte kommen müssen. Er taumelt zurück. Die Kette reißt. Perlen springen und rollen. Shiv rutscht auf den Perlen aus, verliert das
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