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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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Energie.«
    »Jetzt haben Sie meine Aufmerksamkeit.«
    »Ich bringe Sie ins Nullpunktlabor«, erklärt Sonia Yadav, während sie Vishram und sein Gefolge in ihre Forschungssektion führt. Sie mustert ihn sehr genau.
    »Ihre Augäpfel bewegen sich. Schickt Ihnen jemand Nachrichten?«
    Vishram schaltet Marianna Fuscos lautlosen Kommentar mit einer Fingerbewegung ab.
    Die Ingenieure seines Vaters haben ein Gebäude entworfen, das eher Möbel als Architektur ist. Alles besteht aus Holz und Textilien, zu Bögen und Kuppeln geformt, durchscheinend und luftig. Hier riecht es nach Pflanzensaft, Harz und Sandelholz. Die Böden bestehen aus abgezogenem Ahorn mit Intarsien, die Szenen aus dem Ramayana zeigen. Sonia Yadav blickt vielsagend auf Mariannas Absätze. Sie zieht die Schuhe aus und steckt sie in ihre Handtasche. Für Vishram fühlt es sich richtig an, hier barfuß zu gehen. Es ist ein heiliger Ort.
    Auf den ersten Blick ist Vishram vom Nullpunktlabor enttäuscht. Es gibt keine summenden Maschinen oder elektrischen Spulen, sondern nur Schreibtische und Glastrennwände, wacklige Papierstapel auf dem Boden und Weißwandtafeln an den Wänden. Die Tafeln sind vollgeschrieben, und die Notizen setzen sich auf den Wänden fort. Jeder Quadratzentimeter Oberfläche ist mit Symbolen und Buchstaben ausgefüllt, die sich in ungewöhnlichen Winkeln aneinanderdrängen, von Lassoschleifen aus schwarzem Filzstift eingefangen, von langen Linien und Pfeilen in Blau und Schwarz harpuniert, die einen Bezug zu irgendeinem Theorem auf der anderen Seite der Tafel herstellen. Die wimmelnden Gleichungen breiten sich über Tische, Bänke und jede Oberfläche aus, die sich beschreiben lässt. Die Mathematik ist für Vishram so unverständlich wie Sanskrit, aber der Kokon aus Gedanken, Theorien und Visionen beruhigt ihn, als wäre er von einem Gebet umschlossen.
    »Es macht vielleicht keinen besonderen Eindruck, aber das Forschungsteam von EnGen würde eine Menge Geld bezahlen, um sich hier umschauen zu dürfen«, sagt Sonia Yadav. »Die heißen Sachen machen wir hauptsächlich drüben am Teilchenbeschleuniger der Universität oder am LHC in Europa, aber hier wird die eigentliche Arbeit getan. Die Kopfarbeit.«
    »Heiße Sachen?«
    »Wir verfolgen zwei verschiedene Ansätze, einen heißen und einen kalten, wie wir es nennen. Ich möchte Sie nicht mit der Theorie langweilen, aber es hat etwas mit Energielevels und Quantenschaum zu tun. Zwei Ansätze, das Nichts zu betrachten.«
    »Und Sie sind heiß?«, fragt Vishram, während er die hieratischen Glyphen an der Wand mustert.
    »Absolut«, sagt Sonia Yadav.
    »Und können Sie auch tatsächlich tun, was Sie behaupten? Energie aus dem Nichts erzeugen?«
    Sie steht selbstsicher da, und ihre Augen leuchten voller Überzeugung. »Ja, das kann ich.«
    »Mr. Ray, wir sollten jetzt weitergehen«, drängt Surjeet.
    Als die Gruppe sich in Bewegung setzt, nimmt Vishram einen Filzstift und schreibt schnell auf die Tischplatte: HEUTABENDESSEN ?
    Sonia Yadav liest die Einladung auf dem Kopf.
    »Rein geschäftlich«, flüstert Vishram. »Erklären Sie mir, was heiß ist und was nicht.«
    OK, schreibt sie in Rot. UM8HIERTREFFEN . Sie unterstreicht das OK zweimal.
    Draußen im Korridor erwartet Vishram ein Anblick, der seine gute Laune schnell abschwellen lässt: Govind in seinem zu engen Anzug, der mit einer Phalanx von Anwälten durch den Gang heranrollt, als würde ihm der Laden gehören. Govind erspäht seinen jüngeren Bruder, öffnet den Mund, um ihn zu grüßen, verdammen, segnen, tadeln – Vishram ist es egal, er hört es nicht, weil er laut ruft.
    »Mr. Surjeet, könnten Sie bitte die Sicherheit rufen?« Während der Abteilungsleiter in seinen Palmer spricht, hebt Vishram einen autoritären Finger vor seinem Bruder und seinem Gefolge. »Du sagst nichts. Du hast hier nichts zu suchen. Hier bin ich zuständig.« Der Wachschutz trifft ein, zwei sehr große Rajputs mit roten Turbanen. »Bitte eskortieren Sie Mr. Ray aus dem Gebäude, und lassen Sie sein Gesicht vom Sicherheitssystem einscannen. Er darf diese Räumlichkeiten von nun an nicht mehr ohne meine ausdrückliche schriftliche Genehmigung betreten.«
    Die Rajputs ergreifen Govind an den Armen. Es bereitet Vishrams Herzen ein enormes Vergnügen zu beobachten, wie sie ihn mit zügigen Schritten durch den Korridor hinausführen.
    »Hören Sie auf mich! Hören Sie auf mich!«, ruft Govind über die Schulter zurück. »Er wird die Firma ruinieren, wie er

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