CyberCrime
wegzuschließen, kann sich wie im Fall von Max Vision als äußerst kontraproduktiv erweisen. Vision hat zwar einen unberechenbaren Charakter, aber alle Fachleute sind sich einig, dass er über eine ungeheure Intelligenz und beispiellose Kenntnisse über Computersicherheit verfügt. In einer Welt, in der es an Spezialisten für Computersicherheit mangelt, während die Bedrohungen sich gleichzeitig vermehren, scheint es unklug zu sein, einen solchen phänomenalen Aktivposten zu inhaftieren. Damit soll nicht gesagt sein, dass Hacker, die kriminellen Tätigkeiten nachgegangen sind, einer Bestrafung entgehen sollen, aber die Notwendigkeit einer Wiedereingliederung ist für den Staat nicht nur moralisch geboten, sondern potenziell auch von beträchtlichem praktischem Nutzen.
Raoul Chiesa, ein früherer Hacker, leitet ein kleines Forschungszentrum namens Hacker Profiling Unit. Es hat seinen Sitz in Turin und wird von den Vereinten Nationen finanziert. Grundlage seiner Arbeit sind detaillierte Kenntnisse über die Gemeinschaft der Hacker und ihre Antworten auf umfangreiche Fragebögen, die er ihnen schickt. Erste Ergebnisse seiner Tätigkeit liefern wichtige Anhaltspunkte für das Profil von Hackern.
Am verblüffendsten ist das Ungleichgewicht der Geschlechter, das sich nicht nur durch die illegalen Bereiche des Cyberspace zieht, sondern auch durch die Organisation und den Betrieb des Internets als Ganzes. Auf das Thema wird in diesem Buch nur beiläufig angespielt, es verdient aber eine genauere Untersuchung. Männer dominieren zwar auch insgesamt in Politik und Wirtschaft, wenn es aber um neue Technologien geht, nimmt diese Vorherrschaft extreme Ausmaße an. Natürlich engagieren sich auch viele dynamische Frauen in neuen Technologien und neuen Medien, aber statistisch machen sie nur einen winzigen Anteil aus: Er liegt nach Chiesas Angaben bei fünf Prozent. Hacker sind fast ausschließlich Männer.
Ein zweiter Befund aus Chiesas Studie lautet: Der durchschnittliche Hacker ist entweder schlau oder sehr schlau. Außerdem findet man bei Hackern mit sehr großer Häufigkeit – nahezu 100 Prozent – eine höhere wissenschaftliche Ausbildung in Physik, Mathematik oder Chemie. Dies verbindet sich mit relativ geringen Kenntnissen in den Geisteswissenschaften.
Und schließlich stellt sich die kritische Frage nach den Beziehungen der Hacker. Den meisten von ihnen – aber nicht allen – fällt der Aufbau von Beziehungen in der unpersönlichen Umgebung des Internets viel leichter als im wirklichen Leben. Die interessante Frage lautet: warum?
In der Regel nehmen Hacker ihre Beschäftigung als Jugendliche auf, also gerade zu einer Zeit, in der die große Mehrheit von ihnen Schwierigkeiten hat, Beziehungen insbesondere zum anderen Geschlecht einzugehen. Zum Teil sind ihre Probleme in diesem Bereich also etwas ganz und gar Natürliches. Chiesa konnte aber auch nachweisen, dass eine anormal große Zahl von Hackern über Probleme in der Kommunikation mit Angehörigen berichtet, allen voran den eigenen Eltern.
Nachdem ich Chiesas Forschungsbericht gelesen und viel Zeit in Gespräche mit unterschiedlichen Typen von Hackern investiert hatte, fielen mir die Arbeiten von Simon Baron-Cohen wieder ein, eines Professors für Entwicklungs-Psychopathologie an der Universität Cambridge. Seine Pionierarbeiten über Autismus führten zu vertieften Kenntnissen über das Spektrum der Verhaltensmuster von Männern und Frauen. Im Wesentlichen zeigen typische Männer eine verstärkte Fähigkeit, die Außenwelt zu »systematisieren«, während typische Frauen eher in der Lage sind, Mitgefühl zu empfinden. Damit ist nicht gesagt, dass alle Frauen schlecht Landkarten lesen können und alle Männer nie zuhören, aber die Tendenz geht bei Männern stärker zum »Systematisieren« und bei Frauen stärker zum »Empathisieren«.
Im Laufe seiner weiteren Forschungsarbeiten entdeckte Baron-Cohen eine Verbindung zwischen dem extrem männlichen Geist, den man unter bestimmten Umständen als »autistisch« bezeichnen kann, und einem hohen Testosteronspiegel, dem ein Fetus unter Umständen während der Schwangerschaft ausgesetzt ist. Diese These ist umstritten, aber in vielerlei Hinsicht überzeugend und ohne Frage nützlich, wenn man Hacker und ihre Verhaltensmuster betrachtet. Natürlich sind nicht alle Hacker Autisten; in Wirklichkeit lässt sich diese Bezeichnung nur auf wenige von ihnen anwenden; dennoch scheinen aber viele klinische Beobachtungen auf
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