CyberCrime
Als er auf der North Circular, der chronisch verstopften inneren Ringstraße der Stadt, bei Ikea vorübergekommen war, hatte er einen seltsam aussehenden Mann bemerkt. Oder war es eine Frau? Er konnte es nicht entscheiden. »Mannweib« war vielleicht die beste Beschreibung. Er ging weiter in Richtung Wembley Park. Gerade als er zu der Unterführung an der U-Bahn-Station kam, fiel ihm über sich auf der Brücke ein langhaariger Mann auf, der ihn beobachtete und in sein Telefon sprach.
Nachdem er mit der Jubilee Line ein Stück in Richtung Innenstadt gefahren war, stieg er in Green Park in die Piccadilly Line um, und am Leicester Square stieg er wieder aus. Aber wie so viele Fahrgäste an dieser Station, so nahm auch er den falschen Ausgang. Er musste umkehren und in Richtung des eigentlichen Platzes gehen.
Plötzlich stockte ihm das Herz: Mr. Mannweib war wieder da. Und als Renu den von Touristen und Straßenkünstlern bevölkerten Leicester Square überquerte, stieß er fast mit Mr. Langhaar zusammen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr: Er wurde streng observiert.
Er schlüpfte in ein chinesisches Restaurant, schlang ein Mittagessen hinunter und überlegte, welche Möglichkeiten ihm blieben. Nachdem er wieder ins Freie getreten war, lief er die St. Martin’s Street hinunter, eine Gasse, die sich neben der Nationalgalerie zu einem Durchgang verengt, bevor sie auf den Trafalgar Square mündet.
Die Besucher umkreisten die Nelson-Säule und bewunderten die außergewöhnliche, mehr als dreieinhalb Meter hohe Statue auf der vierten Plinthe in der Nordwestecke des Platzes, wo die Ausstellungsstücke ungefähr alle eineinhalb Jahre gewechselt werden. Alison Lapper Pregnant stellte die namengebende britische Künstlerin nackt und hochschwanger dar. Ms. Lapper war ohne Arme zur Welt gekommen, und die Entscheidung, die Statue aufzustellen, hatte für viel Wirbel gesorgt. Sie zog die Menschenmassen an, und als Renu sich seinen Weg durch eine Horde von Touristen bahnte, hatten seine Aufpasser hinter ihm zu kämpfen. Er sprang in den ersten vorüberfahrenden Bus und stieg in die obere Etage. Als sie in die Duncannon Street einbogen, blickte er vom Oberdeck nach unten und sah sowohl Mr. Mannweib als auch Mr. Langhaar, die sich verzweifelt umsahen und nach ihrem verschwundenen Opfer suchten.
Renu verschwand. Aber er war nicht der Einzige: JiLsi hatte für alle Zeiten sein letztes Posting im Internet veröffentlicht.
Ein paar Wochen später war Renukanth auf dem Weg zu einem jener Anwesen, die ihm zwar nicht gehörten, auf die er aber Hypothekenkredite aufgenommen hatte. Das Haus lag genau in der Einflugschneise des Flughafens Heathrow. Er hatte es fast erreicht, da klingelte sein Handy. Es war sein Kumpel, der dort wohnte. Er warnte Renu, er solle wegbleiben. Die Polizei hatte gerade das Haus durchsucht und eine Belohnung für seine Festnahme ausgesetzt.
Mick Jameson, bei der SOCA der Leiter der Ermittlungen gegen JiLsi, hatte Renus Hauptwohnsitz in Coniston Gardens und auch einige andere seiner Wohnungen aufgesucht. Neben seiner Arbeit als JiLsi auf DarkMarket war der Srilanker auch ein gefährlicher Kreditbetrüger. Er hatte wiederholt falsche Angaben über seine beruflichen und finanziellen Verhältnisse gemacht, um so Hypothekendarlehen auf verschiedene Anwesen im Norden, Westen und Süden von London zu ergattern. In Großbritannien herrschte nicht dieselbe Hektik mit schlecht besicherten Immobilienkrediten wie in den Vereinigten Staaten, aber das berüchtigte System der Selbstbeglaubigung, bei dem eigene Angaben als ausreichender Beweis für ein festes Einkommen galten, führte in Verbindung mit der Praxis, einen Kredit bis zum Fünffachen des Einkommens eines Antragstellers zu vergeben (in eher nüchternen Zeiten lag der Faktor nie höher als 3) dazu, dass Hypothekenbetrug in Großbritannien relativ einfach war. Der Markt war so von Konkurrenz geprägt, dass es im Bankgewerbe allgemein üblich war, zwei Augen zuzudrücken.
Als der Anruf kam, ging es Renu allerdings weniger um die Feinheiten seiner verschiedenen Betrügereien als vielmehr darum, aus den tiefen Gewässern herauszukommen, in die er geraten war. Augenblicklich entschloss er sich, unterzutauchen. Drei Wochen lang schlief er sehr ungemütlich und mied alle Adressen, von denen er annahm, dass sie in irgendeiner Form überwacht wurden. Als er den Tipp wegen der Polizeirazzia bekam, hatte er ungefähr 500 Pfund bei sich.
Sein Leben war schon vorher hektisch und
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