CyberCrime
Nachdem Dron aus dem Weg geräumt war, bemühte Cha 0 sich eifrig darum, ein eigenes Beinahe-Monopol für den Verkauf von Skimmerapparaten durchzusetzen.
Da Dron aus DarkMarket ausgeschlossen war, fiel seinen drei französischen Partnern – Theeeel bei Paris, Lord Kaisersose und Kalouche in Marseille – nicht auf, dass Spencer Frizzell ihn aus dem Verkehr gezogen hatte. Andererseits wusste der Secret Service aber nicht, wann Matrix, der fleißigste DarkMarket-Administrator, von der deutschen Polizei mit Unterstützung des FBI verhaftet werden sollte. Sein überraschendes Verschwinden aus dem Forum würde die verbliebenen DarkMarket-Mitglieder wahrscheinlich in Panik versetzen.
In Schweden wusste Recka sofort, dass die Polizei unterwegs war. Er hatte täglich freundliche Nachrichten mit Matrix ausgetauscht und glaubte nicht an das seltsame Posting, das Matrix Anfang Juni 2007 ins Forum gestellt hatte. Darin hatte er erklärt, seine Mutter habe einen schweren Unfall gehabt, und er werde einige Zeit abwesend sein. Jeder erfahrene Cyberdieb hätte daraus sofort den Schluss gezogen, dass die Polizei sein Pseudonym übernommen hatte (was stimmte) und dass dies nur eine Finte war.
Bei Lord Kaisersose, Theeeel und ihren Kumpanen lagen die Dinge anders – sie waren Franzosen. Frankreich leistete zu jener Zeit einen eigenartigen Beitrag zur Cyberkriminalität. Französische Verbrecher waren ebenso versessen darauf, ihre Muttersprache zu sprechen, wie ihre gesetzestreuen Landsleute. Die französische Sprachpolizei, die Académie Française, hatte voller Unmut beobachtet, wie sich das Englische in den 1990er Jahren mit rasantem Tempo zur Weltsprache entwickelte. Gleichzeitig stellte sie aber erfreut fest, dass die meisten französischen Hacker und Technikfreaks sich im Kampf gegen das Englische engagierten, die wichtigste Quelle der Sprachverunreinigung.
Das bedeutete zweierlei: Cyberkriminalität war in Frankreich von ihrem Wesen her national und nicht annähernd so grenzüberschreitend wie in der übrigen Welt. In dem Land hatte man das Internet schon 1982 mit der Einführung des Minitel vorweggenommen, einer sehr leistungsfähigen Informationstechnologie, bei der Text über gewöhnliche Telefonleitungen auf einen Bildschirm übertragen wurde. Deshalb waren die Kenntnisse über Informationstechnologie in Frankreich viel weiter entwickelt als im größten Teil der übrigen Welt. Das Minitel-System, dessen Kunden Telefonnummern nachsehen, ihre Bankkonten verwalten oder über messageries roses erotische Gespräche führen konnten, war erheblich besser gegen Hacker gesichert als das Internet. Das ist einer der Gründe, warum das Web erst heute in Frankreich beliebter wird als Minitel. Die Franzosen waren also in der Frühzeit auch wesentlich weniger durch Viren gefährdet, die sich über das Internet verbreiteten. Außerdem waren nur relativ wenige französische Hacker in Foren wie CarderPlanet, Shadowcrew und DarkMarket unterwegs.
Zweitens verbreitete sich auch das E-Mail-Spamming in Frankreich nur langsam. Die Profite waren viel weniger verlockend als jene, die auf englische, spanische und in jüngster Zeit chinesische Massen-E-Mails folgten. Der Markt ist einfach zu klein. Und bis vor kurzer Zeit machten sich die rund achtzig Beamten bei OCLCTIC nicht die Mühe, Bedrohungen aus dem Ausland zu überwachen (anders verhielten sich allerdings das französische Militär und der Geheimdienst, die im Cyberspace sehr leistungsfähig sind). Die Operation Lord Kaisersose (gegen die Gruppe in Marseille) und die Operation Hard Drive (Dron und Theeeel) halfen den OCLCTIC -Beamten bis zu einem gewissen Grad dabei, ihren politischen Vorgesetzten klarzumachen, dass die Polizei sich in der internationalen Strafverfolgung stärker engagieren müsse. Was vielleicht am erstaunlichsten war: Wenn die OCLCTIC jemanden festnahm – wobei Dutzende von bewaffneten Beamten bestimmte Adressen in Marseille oder im Umland von Paris stürmten –, wurde in der französischen Presse kein einziges Mal darüber berichtet.
Die Polizisten, die Theeeel festnahmen, waren ein wenig erschrocken, dass er erst achtzehn war. Damit war er das jüngste Mitglied von DarkMarket, das irgendwo auf der Welt verhaftet wurde. Er hatte mit dem Carding angefangen, um einen Beitrag zur Finanzierung seines Studiums zu leisten. Wenn junge Frauen feststellen, dass sie den Weg durch die Hochschule finanziell nur dadurch bewältigen können, dass sie hin und wieder ihren
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