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CyberCrime

CyberCrime

Titel: CyberCrime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Glenny
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jenem ersten Vormittag zeigte Keith dem türkischen Kollegen das Whiteboard in seinem Büro: Darauf stand der Name »Cha 0 « an der Spitze einer Pyramide von Kriminellen, die mit DarkMarket in Verbindung standen. Tief in seinem Inneren empfand Bilal einen Hauch von Schamgefühl. Ein halbes Jahr zuvor hatte das FBI mit Unterstützung britischer und deutscher Kollegen zwei der wichtigsten Administratoren von DarkMarket festgenommen: JiLsi und Matrix. Festnahmen hatte es bereits in Großbritannien, Deutschland, Kanada und Frankreich gegeben, und in den Vereinigten Staaten wurden weitere Zugriffe vorbereitet. Für den Beamten aus Ankara war es deshalb sowohl für seinen Nationalstolz als auch für seinen persönlichen Ruf ein Makel, dass sein türkischer Landsmann jetzt einer der meistgesuchten Cyberkriminellen der Welt war.
    Die türkische Polizei und insbesondere ihre Abteilung für organisiertes Verbrechen hatte in den vorangegangenen zehn Jahren große Fortschritte gemacht, und Bilal wollte unter Beweis stellen, dass die junge, in der türkischen Hauptstadt Ankara angesiedelte Einheit für Cyberkriminalität in der Oberliga mitspielen konnte, obwohl ihr viel weniger Mittel zur Verfügung standen als ihren Kollegen in Westeuropa und Amerika.
    In den Büros des FBI kamen und gingen ständig Polizeibeamte aus der ganzen Welt. Sie wollten einerseits von ihren amerikanischen Kollegen lernen, andererseits aber auch Netzwerke der gegenseitigen Unterstützung aufbauen. Die Zusammenarbeit zwischen den Polizeikräften verschiedener Länder ächzt gewöhnlich unter dem Gewicht unerträglicher bürokratischer Prozeduren, und der schnellste Weg, um sie zu umgehen, war die persönliche Freundschaft zwischen Polizisten.
    Bilal war für drei Monate abgeordnet worden. Als Türke stellte er für die FBI -Beamten eine neue und möglicherweise höchst nützliche Kontaktperson dar. Im Jahr 2003 war er einer der beiden Gründer der winzigen Einheit für Cyberkriminalität innerhalb der türkischen Abteilung für Schmuggel und organisiertes Verbrechen gewesen. Und im Vergleich zu den Tätern verfügte der Inspektor über keinerlei Mittel.
    Bilal Şen wollte seinerseits vom FBI lernen. Unerfahren war er nicht. Er war 1989, mit 15 Jahren, zur Polizei gegangen und hatte sich für die mörderische achtjährige Polizistenausbildung angemeldet – die längste der Welt. Eigentlich war das seltsam: Mit seiner zierlichen Statur und seiner nachdenklichen Art ähnelte Inspektor Şen mehr einer türkischen Miss Marple als dem traditionellen Bild des zähen Balkan-Polizisten, der durch ländliche Banditen, städtische Rauschgiftsyndikate und eine brutale Strafjustiz abgehärtet ist.
    In der Polizeiausbildung war er durch eine harte Schule gegangen. Am meisten geschmerzt hatten Bilal aber weder die spartanischen Unterkünfte noch die erbarmungslosen Selbstverteidigungskurse, sondern das völlige Fehlen von Computern. Schon in jungen Jahren hatte er jede Gelegenheit genutzt, sich in die Spielsalons seiner Heimatstadt Eskışehir zu schleichen, die im Norden Anatoliens in der Mitte zwischen Istanbul und Ankara liegt. Schon mit sechs Jahren stieß er auf das Spiel River Raid. Er verwendete jede Minute seiner Freizeit darauf, ein zweidimensionales Kampfflugzeug entlang eines Flusses zu steuern, auf winzige Hubschrauber, Schiffe, Panzer und Luftschiffe zu feuern und gleichzeitig Benzin nachzufüllen. Gefesselt von der rätselhaften Verbindung aus Wiederholung und gelegentlicher Belohnung, die so viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene vor ihren Bildschirmen festhält, war Bilal von Computerspielen ebenso besessen wie viele der werdenden Hacker seiner Zeit. Und er besaß auch die gleiche Entschlossenheit, zu gewinnen.
    Vielleicht half diese Hartnäckigkeit dem jungen Rekruten aus einer Dorf-Polizeistation mitten im anatolischen Nirgendwo bei seiner ersten Beförderung. Man schrieb zwar mittlerweile Mitte der 1990er Jahre, aber die einzige Maschine war dort eine altertümliche mechanische Schreibmaschine. Zeugenaussagen zu protokollieren war zwar nach allgemeiner Ansicht unter seiner Würde als Beamter, aber Bilal war so entschlossen, seine Fähigkeit zum Maschineschreiben zu verbessern, dass er stundenlang auf die Tasten einhämmerte. Und wenn er nicht damit beschäftigt war, brachte dieser bemerkenswerte Autodidakt sich selbst Mandarin bei.
    Als er sich bei der Eliteeinheit für organisiertes Verbrechen in Ankara bewarb, fragte ihn der dortige Chef,

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