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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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verhaßt. Er hatte einen gewissen Stolz auf sein Können, aber das allein reichte nie aus, um ihn anzuspornen.
    Also hielt er's mit den Weibern.
    Als Rikki aufkreuzte, brauchte er ganz schlimm eine. Es ging rasch bergab mit ihm, und schon tuschelte das schlaue Geld-volk, daß seinem Spiel der Biß fehle. Er brauchte den Haupttreffer, und zwar bald, denn er kannte kein anderes Leben und seine Uhren gingen nach Gaunerzeit,
    geeicht nach Risiko und Adrenalin und verklärender Sonnenaufgangs-stimmung, die eintritt, wenn alle deine Schritte sich als richtig erweisen und dir ein hübscher Batzen von einem fremden Guthaben aufs eigene Konto klimpert.
    Es wurde Zeit, daß er sein Bündel schnürte und verschwand; so wurde Rikki höher und weiter weg placiert als alle ändern zuvor, obwohl sie - und ich hatte große Lust, ihm das ins Gesicht zu schreien - zum Greifen nahe war: lebendigen Leibes, total real, menschlich, hungrig, robust, gelangweilt, schön, begeistert, eben alles, was sie war ...
    Dann ging er eines Nachmittags weg, es war wohl die Woche vor meinem Trip zum Finnen nach New York. Ging weg und ließ uns allein in dem Speicherraum, wo wir auf ein Gewitter warteten.
    Den halben Himmel verdeckte eine Kuppel, die sie nie fertigbauten, und in der andern Hälfte zeigten sich blauschwarze Wolken. Ich stand bei der Bank und schaute in den Himmel hinauf, noch ganz blöd vom feuchtschwülen Nachmittag, als sie mich berührte, an der Schulter berührte, der fingerbreiten, festen, rosigen Narbe, die der Arm nicht mehr abdeckt. Wer mich bisher da berührte, ging weiter zur Schulter, zum Hals ...
    Aber sie nicht. Ihre Nägel waren schwarz gelackt und nicht spitz, sondern oval gefeilt. Der Lack war nur 'ne Spur dunkler als das Karbonfaserlaminat, das meinen Arm umhüllt. Und den Arm
    strich ihre Hand nun entlang; die schwarzen Nägel folgten der Schweißnaht im Laminat zum
    schwarzen, anodenbestückten Ellbogen, weiter zum Gelenk. Ihre Hand, weich wie eine
    Kinderhand, öffnete sich und legte sich in die meine, so daß ihre Handinnenfläche auf dem perforierten Duraluminium ruhte.
    Ihre andere Hand kam hoch und glitt über die Feedback-Puffer, und es regnete den ganzen
    Nachmittag.
    Der Regen trommelte auf den Stahl und das rußgeschwärzte Glas über Bobbys Bett.
    Eiswände schwirren davon wie Überschallschmetter-lingsschatten. Dahinter die Illusion von endlosem Raum. Es ist, als ob man ein Videotape vom Hochziehen eines Gebäudes in
    Fertigbauweise anschaut; nur läuft das Tape rückwärts und sehr schnell, wodurch diese Mauern zu ausgerissenen Flügeln werden.
    Ich versuche mich darauf zu besinnen, daß dieser Ort und die Schlünde dahinter nur Bilder sind, daß wir nicht »in« Chroms Computer stecken, sondern übers Interface angekoppelt sind, während der Matrixsimulator in Bobbys Dachkammer diese Illusion erzeugt ... Die Kerndaten zeigen sich nun, liegen offen und verletzlich vor uns ... Das ist die Rückseite vom Eis, der Anblick, den ich noch nie zu Gesicht bekommen habe und den fünfzehn Millionen legitimierte Bediener tagtäglich sehn und für selbstverständlich halten.
    Die Kerndaten türmen sich ringsum auf wie vertikale Güterzüge, zwecks Zugänglichkeit farbig markiert. Grelle Primärdaten, unmöglich grell in dieser transparenten Leere, gekoppelt mit zahllosen Horizontalen in babyblauen und babyrosa Variationen.
    Aber noch wird etwas im Zentrum von Eis umhüllt: das Herz von Chroms kostspieliger
    Dunkelheit, das eigentliche Herz ...
    Es war später Nachmittag, als ich von meiner Besorgungsfahrt aus New York zurückkam. Es
    schien kaum Sonne durchs Dachfenster, aber auf Bobbys Monitor leuchtete ein
    Eisblumenmuster, eine zweidimensionale Graphik der Abwehranlagen irgendeines Computers,
    aus Neonlinien bestehend, die wie zu einem Gebetsteppich in Art Deco verwebt waren. Ich
    schaltete die Console ab, und der Monitur wurde völlig dunkel. Rikkis Sachen lagen auf meiner Werkbank ausgebreitet; aus Nylontaschen quollen Kleider und Schminkzeug, ein knallrotes
    Cowobystiefelpaar, Audiokassetten, japanische Hochglanzmagazine von Simstim-Stars. Ich
    stopfte alles unter die Bank und nahm meinen Arm ab, wobei ich vergaß, daß das vom Finnen gekaufte Programm in meiner rechten Jackentasche steckte, so daß ich es mit der Linken
    herausfummeln und in die gepolsterten Backen des Juwelierschraubstocks einspannen mußte.
    Der Waldo sieht aus wie'n alter Plattenteller, so'n Ding, wo man früher Schallplatten drauf abspielte,

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