Cyclop
Zerstörung. Die Instrumente und Armaturen schienen alle in bester Verfassung. Was ihn wirklich in Erstaunen versetzte, war die umfangreiche Ausstattung mit elektronischen Geräten. Metallsuch-Apparaturen, Sonar-Meßgerät und Unterwasser-Aufzeichnungseinrichtungen – alles, was man brauchte, um den Meeresgrund abzusuchen.
Er bemerkte die Gesichter nicht, die sich vor der offenen Tür der Gondel drängten, und er hörte nicht die näher kommenden Sirenen. Für einen Augenblick fühlte Pitt sich völlig allein und verwirrt. In der heißen feuchten Luft hing schwer der Übelkeit erregende Geruch menschlicher Verwesung. Etwas Unheimliches beherrschte die Gondel.
Eines der Besatzungsmitglieder war über den kleinen Kartentisch gesunken, den Kopf auf den Arm gelegt, als wolle der Mann schlafen. Seine Kleidung war feucht und fleckig. Pitt legte ihm die Hand auf die Schulter und schüttelte ihn leicht. Sein Fleisch bot keinen Widerstand.
Es schien sich von den Knochen zu lösen. Etwas wie ein eisiges Leichentuch legte sich über Pitt. Eine Gänsehaut zog sich von seinem Nacken hinab bis zu den Fersen, aber gleichzeitig floß der Schweiß in Strömen von seinem Körper herab.
Er wandte seine Aufmerksamkeit den unheimlichen Gestalten an den Kontrollgeräten zu. Die Gesichter der Männer waren von Fliegen bedeckt, und die Verwesung hatte bereits ihr grausiges Werk begonnen. Die Zungen quollen über die hängenden Kinnladen. Leere Augen starrten ins Nichts, die Augäpfel waren von blicklosem Blau. Die Hände lagen noch auf den Kontrollknöpfen. Die Fingernägel waren blau angelaufen.
Drei verweste Leichen hatten die
Prosperteer
aus einem unbekannten Grab hierhergeflogen -
eine gespenstische Crew in einem Luftschiff auf Geisterfahrt.
Auf dem Untersuchungstisch lag die nackte Leiche einer erwachsenen schwarzen Frau unter dem gleißenden Licht des Autopsiesaales. Zeichen von Gewaltanwendung waren an ihr nicht zu erkennen. Ein geübtes Auge schloß aus dem Zustand der Leichenstarre, daß sie noch nicht länger als sieben Stunden tot sein konnte. Ihr Alter mußte irgendwo zwischen fünfundzwanzig und dreißig liegen. Dieser Körper mochte einmal die Blicke der Männer auf sich gezogen haben, aber jetzt war er unterernährt, verbraucht und vom Drogenmißbrauch gezeichnet.
Dr. Celvin Rooney, der Leichenbeschauer des Dade County, hätte diese Autopsie eigentlich ziemlich langweilig finden müssen. Wäre die Leiche nicht im Vorgarten eines hohen Beamten entdeckt worden, hätte er sich kaum dazu überreden lassen, die Untersuchung selbst vorzunehmen. Tod durch Drogenmißbrauch war in der Umgebung von Miami so alltäglich, daß er eine solche Arbeit üblicherweise seinen Assistenten überließ. Aber dann entdeckte er die drei Einstiche in der Nähe des Herzens. Der Fall war also doch nicht so alltäglich. Er legte gerade das Skalpell beiseite und sprach die letzten Zeilen seines Berichts in das Diktaphon, als Sheriff Tyler Sweat in den Autopsiesaal trat. Der Sheriff war ein Mann mittlerer Größe, etwas dicklich und mit melancholischen Gesichtszügen, aber fast brutal entschlosssenem Blick. Mit seiner methodischen und zuverlässigen Arbeit hatte er sich den Respekt seiner Mitarbeiter verdient.
Er warf einen teilnahmslosen Blick auf den sezierten Leichnam und nickte Rooney dann einen Gruß zu. »Neue Fleischbeschau?«
»Die Frau aus dem Vorgarten des Commissioners«, antwortete Rooney.
»Wieder eine Überdosis?«
»Leider nicht so einfach. Es scheint Arbeit für das Morddezernat zu geben. Man hat sie umgebracht. Ich habe drei Einstiche in ihr Herz gefunden.«
Sweat grinste den kahlköpfigen kleinen Chef der Gerichtsmedizin an, dessen freundliches Wesen besser zu einem Landpfarrer gepaßt hätte. »Dich können sie nicht reinlegen, was, Doc?«
»Was bringt die Geißel des Verbrechens in den Palast der Gerichtsmedizin?« fragte Rooney mißtrauisch. »Steht etwas an?«
»Eigentlich nur eine Identifikation durch VIP. Ich hätte dich gerne dabei.«
»Die Leichen aus dem Zeppelin«, schloß Rooney.
Sweat nickte. »Mrs. LeBaron ist hier, um sich die Überreste anzusehen.«
»Davon kann ich nur abraten. Die Reste ihres Ehemannes sind selbst für jemanden, der jeden Tag mit Leichen zu tun hat, kein schöner Anblick.«
»Ich habe versucht, ihr zu erklären, daß eine juristisch einwandfreie Identifikation auch anhand von persönlichen Gegenständen möglich ist. Aber sie hat darauf bestanden. Sie hat sich sogar einen dieser
Weitere Kostenlose Bücher