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Cyclop

Cyclop

Titel: Cyclop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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Rechtsberater aus dem Gouverneurspalast mitgebracht, damit er ihr den Weg ebnet.«
    »Wo sind die beiden denn?«
    »Sie warten schon im Büro der Leichenhalle. Ein ganzes Bataillon von TV- und Zeitungsreportern rennt wie verrückt um das Haus. Ich habe meinen Männern befohlen, sie nicht weiter als bis in die Lobby vorzulassen.«
    »Wie seltsam die Welt doch ist«, verkündete Rooney philosophisch. »Der ehrenwerte Raymond LeBaron bekommt eine Schlagzeile auf der ersten Seite, während dieses arme Bündel hier höchstens fünf Zeilen neben den Kleinanzeigen erhält.« Dann seufzte er, zog sich seinen Arbeitskittel aus und hängte ihn über einen Stuhl. »Bringen wir es hinter uns. Ich habe heute noch zwei Autopsien vor mir.«
    Ein tropischer Sturm war im Anzug, und aus der Ferne war schon das Donnergrollen zu hören. Rooney warf sich sein Sportjackett über und zog die Krawatte gerade. Dann folgte er Sweat auf den Flur.
    »Hast du eine Idee, was LeBarons Tod verursacht haben könnte?« fragte der Sheriff.
    »Ist noch zu früh, um Konkretes darüber auszusagen. Die Laborresultate sind eher widersprüchlich. Ich muß noch einige weitere Tests durchführen. Zu viele Dinge passen einfach nicht zusammen. Ich gebe es nicht gerne zu, aber die Sache ist mir wirklich ein Rätsel.«
    »Keine Vermutungen?«
    »Nichts, was ich zu Papier bringen würde. Das Hauptproblem ist die ungeheuer weit fortgeschrittene Verwesung. Ich habe noch nie zuvor Gewebe so rasch zerfallen sehen, außer vielleicht bei einem merkwürdigen Fall im Jahre 1974.«
    Bevor sich Rooney über diesen Fall auslassen konnte, waren sie beim Verwaltungsbüro der Leichenhalle angekommen. Der Anwalt, ein schmieriger Typ in einem dreiteiligen Anzug, sprang sofort auf. Noch ehe er den Mund aufmachen konnte, hatte Rooney ihn bereits als Schwätzer eingeordnet.
    »Können wir bitte anfangen, Sheriff? Mrs. LeBaron fühlt sich nicht gut und möchte so schnell wie möglich wieder in ihr Hotel zurück.«
    »Ich habe volles Verständnis dafür«, brummte der Sheriff. »Aber ich brauche Sie ja wohl kaum erst darauf hinzuweisen, daß wir zunächst einige juristische Formalitäten abzuwickeln haben.«
    »Und ich muß Sie nicht daran erinnern, daß der Gouverneur von Ihnen erwartet, daß Sie eine Witwe mit der nötigen Rücksicht behandeln.«
    Rooney bewunderte Sweats steinerne Geduld. Der Sheriff schob den Anwalt einfach zur Seite, als wäre er ein Stück Abfall auf dem Bürgersteig.
    »Das ist unser leitender Gerichtsmediziner, Dr. Rooney. Er wird Ihnen bei der Identifikation helfen.«
    Jessie LeBaron sah absolut nicht so aus, als fühle sie sich nicht besonders wohl. Sie saß aufrecht, mit kühlem Gesichtsausdruck und hoch erhobenem Kopf in dem orangefarbenen Plastikstuhl. Doch Rooney spürte sofort die Zerbrechlichkeit, die nur durch Disziplin und Nervenkraft verborgen wurde. Er hatte das Elend, das Angehörige bei der Identifikation erlitten, schon Hunderte von Malen in seiner Praxis erlebt und sprach instinktiv sanft und so freundlich wie möglich: »Mrs. LeBaron, ich weiß, was Sie mitgemacht haben, und ich möchte Ihnen deshalb weitere Schmerzen ersparen. Erstens möchte ich Sie noch einmal darauf hinweisen, daß Sie die Leiche auch anhand persönlicher Gegenstände, die bei ihr gefunden wurden, juristisch unanfechtbar identifizieren können. Zweitens, wenn Sie mir irgendwelche besonderen Merkmale Ihres Mannes nennen können, etwa Narben, Knochenbrüche oder Operationen, würden Sie sich die Konfrontation mit der Leiche ersparen, ich könnte dann mit Hilfe Ihrer Hinweise die Identifikation vornehmen. Und drittens möchte ich Sie mit allem Respekt darum bitten, von einem Blick auf den Toten Abstand zu nehmen. Auch wenn er noch zu erkennen sein mag, ist die Verwesung doch bereits sehr weit fortgeschritten. Ich glaube, daß Sie eine schönere Erinnerung an Mr. LeBaron behalten werden, wenn Sie ihn sich als Lebenden vorstellen und nicht sein Bild aus der Leichenhalle vor sich sehen müssen.«
    »Vielen Dank, Dr. Rooney«, sagte Jessie. »Ich bin Ihnen für Ihre Anteilnahme wirklich sehr verbunden. Aber ich muß mich selbst vergewissern, ob mein Mann wirklich tot ist.«
    Rooney zuckte müde mit den Schultern und wies auf einen kleinen Tisch, auf dem ein paar Kleidungsstücke und persönliche Wertgegenstände ausgebreitet lagen. »Haben Sie diese Dinge dort bereits identifiziert?« LeBarons Witwe nickte. Sie stand dann aber auf und ging mit dem Sheriff noch einmal alles durch.

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