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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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während die Mehrheit der Lobbyisten, die den Kongress am stärksten beeinflussen, in Wirklichkeit aus den produktiven Industrien kommen und sicherstellen, dass die Gesetze es ihnen weiterhin erlauben, produktiv zu bleiben.
    JACOB: Aber das kannst du leicht messen, weil du dir anschauenkannst, welche Leute bestrebt sind, sich auf Kosten der Allgemeinheit Vorteile zu verschaffen und die Freiheiten anderer, ohne die sie selbst nicht dorthin gelangt wären, wo sie heute stehen, zu beschneiden. Wenn sie dergleichen tun, weißt du, dass etwas schief läuft und sie nur ihre Besitzstände verteidigen, die sie im Wesentlichen durch Ausbeutung erzielt haben – gewöhnlich mithilfe eines Appells an das Gefühl: »Oje, stoppt die Terroristen, stoppt die Kinderpornografie, stoppt die Geldwäsche, zieht gegen die Drogen in den Krieg!« Womöglich sind diese Dinge in ihrem ursprünglichen Kontext völlig vernünftig, und das sind sie gewöhnlich auch, denn im Allgemeinen halten wir sie für schlecht, weil in jedem von ihnen doch ein ernstes Problem steckt.
    ANDY: Ich möchte noch mal auf das Urheberrecht zurückkommen und euch ein anderes Beispiel nennen. Als die Automobile aufkamen, hatten die Fuhrunternehmen, die ihre Fahrgäste mit Pferden beförderten, zu Recht Angst, dass sie ihr Geschäft verlieren würden, aber vielleicht war das ja auch etwas Sinnvolles. Ich war mal beim Verband der deutschen Filmproduzenten eingeladen, und vor mir hielt ein Professor von einer Berliner Uni einen extrem artigen Vortrag über die Evolution der Menschheit und die Entwicklung der Kultur. Er hat hervorgehoben, wie entscheidend es sei, dass Ideen kopiert und weiterentwickelt werden, genau wie es bei der Filmproduktion um das Aufgreifen von Themen und deren Dramatisierung gehe. Nach 40 Minuten ist ihm der Moderator barsch ins Wort gefahren: »Schön, nachdem wir gerade vernommen haben, dass wir Diebstahl legalisieren sollten, hören wir uns doch mal an, was uns der Herr vom Chaos Computer Club zu sagen hat.« – »Scheiße«, hab ich gedacht, »wenn ich jetzt offen spreche, lassen die mich hier jemals wieder lebend raus?« Manche Industrien haben also einfach Geschäftsmodelle, die nicht der Evolution dienen. Wie selbstsüchtig von ihnen, ihrem gegenevolutionären Drang nachzugeben, dadurch wird er nur noch monopolitischer. Als die Kassetten auf den Markt kamen, hat man auch geglaubt, dass die Plattenindustrie aussterben würde. Das Gegenteil ist eingetreten, die Plattenindustrie erlebte einen Megaboom. Die Frage ist, welche politischen Schlüsse wir daraus ziehen. Wie könnte man diese Dinge positiv formulieren?
    JULIAN: Ich frage mich, ob wir nicht die gegenwärtige Praxis in den Vereinigten Staaten zum Standard machen und formell festschreiben könnten, sodass du einfach Senatoren kaufst und dir so Stimmen im Senat besorgst.
    JÉRÉMIE: Nein, nein, nein, nein!
    ANDY: Aber wenn wir nun das Geld dafür hätten …
    JULIAN: Ja, und es findet ganz offen statt und es gibt Käufer und jeder geht auf eine Auktion.
    ANDY: Aber die Waffenindustrie hätte immer noch mehr Geld.
    JULIAN: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube eher, dass der militärisch-industrielle Komplex relativ marginalisiert wäre, weil seine Fähigkeit, in einem System, das nicht generell offen für Marktgebote ist, hinter verschlossenen Türen die Fäden zu ziehen, tatsächlich größer ist als die anderer Branchen.
    JACOB: Es steckt eine fundamentale Ungleichheit im System.
    JÉRÉMIE: Aus einer wirtschaftsliberalen, antimonopolitischenPerspektive, wo du sagst, sollen doch die dominanten Akteure entscheiden, wohin die Politik geht, kann ich dir mit der Erfahrung des Internets in den letzten 15 Jahren antworten, wo Innovation, wie man sagt, von unten nach oben ging, wo neue Praktiken aus dem Nichts entstanden sind, wo ein paar Typen in einer Garage eine Technologie erfunden haben, die sich ausgebreitet hat.
    JULIAN: Das gilt für beinahe alles, für Apple, für Google, für YouTube – für alles.
    JÉRÉMIE: Für alles. Alles, was im Internet passiert ist, hat einfach geboomt, nachdem es noch ein paar Monate oder ein paar Jahre vorher unbekannt war, du kannst also nicht voraussagen, was die nächste Innovation sein wird, und die Innovationsgeschwindigkeit ist so hoch, dass sie viel schneller ist als die politischen Entscheidungsprozesse. Wenn du also ein Gesetz machst, dass sich auf den heutigen Markt auswirkt, auf das Stärkeverhältnis zwischen verschiedenen Unternehmen und

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