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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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geschaffenen Öffnung gelöst hatte, schien sehr vieler tiefer gefallen zu sein. Also blieb er weiterhin im Ungewissen, während sein ganzes Gewicht an dem Haken hing, der sich vielleicht jetzt schon aus dem brüchigen Fels löste.
    Bevor der Haken ihn im Stich lassen konnte oder das Seil zu Ende war, geschah etwas anderes. Seine Füße, die nach einem Halt suchten, fanden nirgends mehr einen Widerstand. Noch behutsamer als zuvor ließ er sich an dem Seil hinab und stellte fest, daß er sich in einem von der Natur geschaffenen Gang befand. Als seine Füße festen, wenn auch abfallenden Boden berührten, konnte er das Meer riechen, und weiter vorne entdeckte er einen Lichtschimmer. Dieser war gerade hell genug, um zu erkennen, daß der Boden tatsächlich sicher und das Gefalle nicht zu stark war. Hier war das Geröll aus dem Grab oben aufgeschlagen und weiter in die Tiefe gerutscht, und deshalb hatte Cyrion geglaubt, er müsse sehr viel weiter hinabsteigen, als es nun eigentlich der Fall war.
    Cyrion versteckte die restlichen Meter Seil hinter einem Felsvorsprung, wie er auch die Polster und das Werkzeug in Felsspalten unmittelbar unter dem Grab verstaut hatte.
    Dann ging er auf das Licht zu, das langsam Gestalt annahm. Eingefaßt in einen ovalen Rahmen aus Fels, zeichnete die Helligkeit das Spiegelbild der Wellen auf die Wände. Das stetige, ruhelose Rauschen des Ozeans war zu hören.
    Noch eine Minute, und Cyrion trat durch das Oval aus Licht, den Eingang einer Höhle, auf einen Felsvorsprung hinaus, der ungefähr zwei Meter breit war und wie ein Balkon an der Wand der Höhle entlanglief. Von dort konnte man fast alles überblicken.
    Es war ein beeindruckendes Bild, das an den Bauch des Walfischs gemahnte. Oben der gerippte Fels, schimmernd und auch ohne Farbe. Dazu die gewölbten Wände dieser gewaltigen Muschel, die von hundert oder mehr Höhleneingängen wie mit Pockennarben gezeichnet war und an manchen Stellen ein eigenartiges, metallisches Leuchten verströmte. Dann, vielleicht siebzig Meter weiter unten, der Boden der Höhle, eine schwarzgrüne spiegelnde Scheibe aus Wasser.
    Am westlichen Ende verengte sich die Höhle zu einem schmalen Durchlaß, der zweifellos auf das offene Meer hinausführte und von außen nur wie einer der vielen Risse und Spalten in den Klippen aussah. Aber nicht daher kam das Licht, das den eigenartigen Schimmer auf den Felsen verursachte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen.
    Das Licht rührte von einer ganzen Anzahl kleiner Feuer her, die in den senkrechten Spalten tiefer gelegener Höhlen brannten. Die Flammen verbreiteten nur wenig Helligkeit, aber da es in dem Gestein irgend etwas gab, auf dem sie sich widerspiegelten, war die unterirdische Halle mit einem milchigen, unwirklichen Glanz erfüllt.
    Ohne die Polster wieder so anmutig wie früher, wenn auch noch in den grellen Kleidern, die er zu dem verhängnisvollen Abendessen angelegt hatte, tastete Cyrion sich den glitschigen, abschüssigen Felsvorsprung entlang. Linker Hand und etwas weiter vorn hatte er etwas gesehen, das ihn beinahe ebenso interessierte wie die Feuer in den Höhleneingängen.
    Eine lange Schlinge aus dickem Tauwerk hing von oben auf den Felsvorsprung herab. Blickte man daran empor, entdeckte man einen merkwürdigen Metallkäfig unter der Höhlendecke.
    Seitlich über dem Käfig war ein Loch in der Decke, die untere Öffnung eines runden Schachtes, in dem zwei dünne Seile herabhingen. Wo sie aus dem Loch herauskamen, waren sie straff zur Seite gezogen und mit eisernen Klammern an einem vorspringenden Felsen befestigt. Schaute man von oben in den Schacht hinein, mußte man den Eindruck gewinnen, daß die Seile im Nichts endeten oder - eine optische Täuschung - unter der Wasseroberfläche. Die käfigartige Vorrichtung, die seitlich unter dem sich verbreiternden Höhlendach hing, blieb unsichtbar. Das obere Ende des Schachtes war natürlich der Spukbrunnen in dem überdachten Gang.
    Cyrion betrachtete den Käfig und die Seile. Jemand, der diese Vorrichtung benutzen wollte, mußte einige akrobatische Kunststückchen vollbringen. Erst die Seile in dem Schacht hinabklettern und sich dann in den nicht eben vertrauenerweckenden Käfig schwingen. Ein einfacher Flaschenzug wies darauf hin, daß der Käfig mit Hilfe der Taue auf den Felsvorsprung hinabgelassen werden konnte. Auf dieselbe Art konnte sich der Benutzer des Käfig natürlich auch wieder nach oben ziehen.
    Hoch oben in dem Brunnenschacht ertönte ein kaum

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