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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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töten.
    »Bedenke auch, Tochter, daß du deine Pläne nur ausführen kannst, weil Sie es erlaubt hat. Du gehörst Ihr. Nicht du bestimmst über dein Leben, sondern Sie allein.«
    In der Höhle lachte eine Frauenstimme kurz und hart.
    »Das weiß ich seit dreizehn Jahren. Und habe ich Ihr nicht schon Opfer dargebracht?«
    »Das hast du getan. Sie hat es nicht vergessen. Nur sei vorsichtig. Es liegt ein Schleier über dem, was du vorhast, ein Nebel. Es gibt etwas, das ich nicht fassen und nicht erkennen kann. Vielleicht der Einfluß einer Person, von der wir nichts wissen. Sind dir die Diener ergeben?«
    »Ergeben oder tot.«
    »Also ist es ein Fremder.«
    »Oder ein Geist. Manchmal nimmt mein Onkel Mevary Gestalt an. Ich habe mich vor ihm geschützt, wie du geraten hast. Ich glaube, was ihn umtreibt, ist der Wunsch, mir ein Leid zuzufügen.«
    »Es ist kein Geist. Die Muscheln im Feuer zeigen mir einen Mann mit weißem Haar.«
    »So weiß wie das deinige, Oe-Tabbit? Ich furchte ihn nicht. Soll er nach Flor kommen und mit meinen anderen Feinden untergehen.«.
    »Sachte«, mahnte die unheimliche, brüchige Stimme der alten Hexe in ihrem Nest aus Stein und Feuer und Meer. »Du bist zu jung, um so mit dem Tod zu spielen.«
    »Jung«, bestätigte die junge Stimme. »Aber habe ich etwas von spielen gesagt?«
    Tabbit gab ein Krächzen von sich. Sie sagte: »Bald wird es dämmern.« Dann sank ihre Stimme zu einem Flüstern herab: »Geh und sieh nach, ob dir jemand gefolgt ist.«
    Als Gerris’ Tochter, stolz und grausam und voller Zweifel, auf den Weg hinaustrat, war niemand zu sehen.
    Kurze Zeit später wurde der Käfig wieder in die Höhe gezogen und eine weibliche Gestalt in Männerkleidung turnte den Brunnenschacht hinauf.
    Die Sonne ging ebenfalls auf.
    Danach weinte Jhanna in ihrer Kammer; Zimir entdeckte die Gäste; Roilant in eigener Person platzte in die verstörte Familie; Mevary erbleichte; Eliset führte die Besucher zum Grab ihres Vaters. Das Grab wurde geöffnet, und man stand vor einer unerklärlichen Leere.
    Während einige Meter unter ihren Füßen Cyrion in einer Höhle saß, sich an dem wenigen labte, was er bei sich getragen hatte und das Hin und Her der greisen Hexe beobachtete.
    Im Anschluß an die Entdeckung der leeren Grabstätte hatte sich eine einigermaßen amüsante Szene abgespielt.
    In einem der im Erdgeschoß gelegenen Räume, der einzig mit zwei hölzernen Kerzenständern und einem leeren Vogelkäfig möbliert war, kam es zu einer lebhaften Unterhaltung zwischen Roilant und Mevary. Draußen im Hof lehnten zwei der Leibwächter von Beucelair an einem Brunnen.
    »Ich kann nur wiederholen«, wiederholte Mevary, »wo ist dein Beweis?«
    »Daß mein Beauftragter nicht da ist, ist Beweis genug!«
    »Tatsächlich? Wie, wenn der Kerl sich einfach davongemacht hat? So was soll vorkommen.«
    Roilant lief rot an, und seine Hände zitterten. Er schwankte zwischen Wut, Verwirrung und Schuld. Und die Anwesenheit Elisets trug nicht dazu bei, ihn zu beruhigen. Sie des Mordes und der Niedertracht anzuklagen, bereitete ihm mehr als nur geringes Unbehagen, während er danach brannte, Mevary zu überführen, ganz gleich, wie.
    Was Mevary betraf, so war er nervös, freudig erregt und unruhig. Das unheimliche Verschwinden hatte ihn einerseits gerettet, warf aber andererseits ungeahnte Probleme auf. Wenn dieser verfluchte Doppelgänger Roilants tatsächlich lebte und entkommen war, dann wie, und wo befand er sich jetzt, und was hatte er vor? Es war Mevary unmöglich, Roilants Fragen und Beschuldigungen die erforderliche Aufmerksamkeit entgegenzubringen, weil sein ganzes Denken damit ausgefüllt war, zu enträtseln, wie jemand, der eindeutig tot gewesen war, doch noch lebendig sein konnte. Es gab noch eine andere Möglichkeit. Daß Cyrion doch tot gewesen war und daß jemand anders, der eigentlich nicht ins Bild gehörte, den Leichnam gestohlen hatte. Aber um das herauszufinden brauchte er die Nacht und die Abwesenheit dieses nervtötenden rothaarigen Cousins.
    Weil ihm nichts Besseres einfiel, verkündete Roilant: »Deine verdammten Lügen, werden dich an den Galgen bringen.«
    Woraufhin Mevary, weil ihm nichts Besseres einfiel, einen Vorschlag dahingehend hatte, was Roilant mit dem Galgen anfangen könne.
    Zu diesem Zeitpunkt meldete sich Eliset zu Wort.
    »Roilant, es ist vollkommen klar, daß ich zusammen mit Mevary unter Verdacht stehe. Aber ich frage mich, ob du in deiner Barmherzigkeit mir erlauben würdest, in

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