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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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wurden, konnten schwächer werden, und außerdem war die Gefahr einer zufälligen Entdeckung zu groß.
    Am Morgen schien es, daß der König sich von seinem Erben hatte erweichen lassen und bereit war, sich seine Sicht der Dinge zu eigen zu machen. Ysemid hatte die Täuschung gut vorbereitet und statt daß sein Volk sich mißtrauisch und überrascht gezeigt hätte, war es nur froh über diesen Sinneswandel, freute sich auf das fette Leben und glaubte, daß weder seine Traditionen sich dadurch ändern noch seine Stärke sich vermindern würde. Wie als Omen für all dieses künftige Glück und Wohlergehen hatte Ysemid ein liebliches Mädchen gefunden, das gleich einer goldenen Rose in den Ruinen des Heiligtums blühte. Bald machte er sie zu seiner Frau.
    Seit dieser Zeit, vor mehr als einem Monat, wanderte Karuils Volk mehr und mehr in Richtung der Städte. Ysemid paßte sein Gebaren mehr und mehr dem künftigen Leben an. Es wurde von einem Palast in der Nähe von Heshbel geredet. Karuil, der so plötzlich ein alter Mann geworden war, schien sich darein ergeben zu haben.
    »Und wenn alles so ist, wie er es haben will«, sagte die Dämonin und leckte sich die Lippen, »wird Ysemid meinem Bruder erlauben, einen friedlichen Tod vorzutäuschen und dann vor der Beerdigung zu entfliehen. Obwohl wir den Leichnam mit einem anderen Zauber belegen müssen, damit er nicht augenblicklich zerfällt. Mir wird er den Scheidebrief schicken. Aber bis zu dieser Stunde müssen wir ihm dienen. Mein Bruder tröstet sich mit Süßigkeiten, an denen er in seiner wahren Gestalt ersticken würde. Aber ich, mit der Ysemid jede Nacht lag und die ich nun in ein anderes Zelt geschickt wurde, weil er meiner müde wurde wie einer Sterblichen - ich sehne mich nach dem Geschmack seines Fleisches und seines rauchenden Blutes.«
    Ein Schweigen folgte. Bis Cyrion fragte: »Das Amulett ist der Saphir in seinem Ohr?«
    »Ja«, hauchte sie.
    »Hättest du«, meinte er mit scheinbarer Gleichgültigkeit, »es ihm nicht stehlen können, wenn er neben dir schlief?«
    »Es würde meine Finger bis auf die Knochen verbrennen. Dennoch, hätte ich die Möglichkeit gehabt, glaubst du, ich hätte sie nicht genutzt? Aber der Stein ist mit drei goldenen Drähten in seinem Ohrläppchen befestigt. Ich hätte ihn abreißen müssen und die Wunde hätte er sofort gespürt. Und hätte ich das Amulett, so würde es doch deshalb nicht seine Wirkung verlieren, und ich wäre so machtlos wie zuvor. Weißt du nichts von den Eigenschaften solcher Talismane?«
    »Du«, sagte Cyrion, »wirst es mir erklären.«
    Aber diesmal war es der in Karuils Körper gefangene Dämon, der ihm antwortete. Mit der dürren, geliehenen Stimme sagte er: »Nimmt nicht Ysemids eigene Hand das Juwel ab und gelangt es nicht durch seine Hand in unseren Besitz, bleibt der Schutzzauber unverändert, und wir sind weiterhin seine Sklaven und müssen jedem seiner Befehle gehorchen. Er genießt dies; denn er ist boshaft. Er liebt es, Katz und Maus zu spielen. So ist die verwerfliche Rohheit mancher Menschen.«
    »Im Gegensatz zu euren eigenen moralisch einwandfreien und heilbringenden Spielchen? Aber nach dem, was ihr sagt, sehe ich keine Möglichkeit, an ihn heranzukommen.«
    »Du könntest ihn dazu überreden, uns das Juwel zu geben«, beharrte die Dämonin.
    »Das bezweifle ich. Ysemid ist ein Sohn seines Volkes, trotz seiner Pläne. Ist er ein Sadist, so kennt er sich in dergleichen Sachen aus. Er wird daher jeden Schmerz, den ich ihm zufüge, den Spielen vorziehen, die eure Rasse mit ihm treiben würde. Andererseits, wenn ich seine Taten ans Licht bringe, wird jeder von euch gezwungen sein, seine Lügen zu unterstützen.«
    »Dieses Volk weiß, daß Zauberei wie die seine und unsere existiert.«
    »Sie wissen auch, daß ich ein Fremder bin und daß Fremde immer lügen.«
    Der Dämon Karuil richtete sich auf.
    »Geh zurück, meine Schwester. Ysemid könnte in dein Zelt kommen und merken, daß du nicht da bist.«
    Sie stieß einen Laut des Unwillens aus, erhob sich aber, wobei der Schmuck an ihren Kleidern leise klirrte. Es war anzunehmen, daß die Wachtposten sie gehört hatten, wenn sie sie auch nicht sehen konnten. Als das, was sie war, konnte sie eins werden mit der Nacht.
    »Ich werde zurückgehen. Und du«, sagte sie zu Cyrion, »Engelhaar, mit deinen, kranken, wunderschönen Augen, du solltest besser weglaufen.«
    Cyrion zog das Krummschwert aus dem Kissen und warf es vor den beiden auf den

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