Cyrion
zermalmen.
Ysemid beugte sich über Cyrion, packte ihn mit der linken Hand bei den Haaren und faßte mit der rechten das Schwert kürzer für den ersten Schritt in der Vollstreckung des Todesurteils: Kastration.
Irgendwo in dem Wirbel aus Sand zwischen den beiden Männern flammten zwei Feuer auf, zwei Sterne, Augen wie brennendes Eis. Und ein beinahe ebenso grelles Schwert schob sich aus dem Sand. Ein Schwert aus Feuer, und es brannte.
Ysemid bemerkte, daß er die Entmannung nicht ausgeführt hatte. In verwirrtem Nichtbegreifen schaute er nach unten, um den Grund dafür herauszufinden. Und sah seine eigene Hand verloren und blutend unter der Schneide von Cyrions Schwert liegen.
Noch bevor der Schrei sich einen Weg aus Ysemids Kehle bahnen konnte, rammte eine ringgeschmückte Faust gegen sein Kinn. In Ysemids Zunge trafen seine Zähne mit der Gewalt einer zuschnappenden Falle aufeinander. Er sank vornüber in eine tosende, lohfarbene Dunkelheit.
Der nächste Schmerz begann in weiter Feme, dieser furchtbare Schmerz in seinem Ohrläppchen Cyrion, der Ysemids abgeschlagene Hand aufgehoben hatte, bog die Finger wie eine Zange um den Saphir und riß das Amulett los. Mit einer raschen Drehung, wobei ihm die Golddrähte, die den Stein in Ysemids Ohr gehalten hatten, zupaß kamen, befestigte er das Juwel an den ausgeborgten Fingern. Das alles hatte nur Sekunden gedauert. Jetzt erhob Cyrion sich mühelos und schleuderte Hand samt Juwel vor Karuil-Ysem auf den Boden. Dieser bückte sich langsam danach und erstarrte.
Von allen Seiten stürzten die Männer des Volkes herbei. Ihr Geheul und das Sirren ihrer Schwerter erfüllte die Nacht.
Cyrion, dessen Stimme brüchig und erschöpft klang, schrie Karuil an: »Abgenommen von seiner eigenen Hand und euch gegeben von seiner eigenen Hand. Heb es auf, verdammt noch mal, und benutze es.«
Aber es war der Knabe, auf den Karuil sich gestützt hatte, der sich bückte und die Hand aufhob. Als der Junge sich wieder aufrichtete, schlängelte sich goldenes Haar unter seiner Kapuze hervor. Das Gesicht ungeschminkt, in gestohlener oder durch Magie vorgetäuschter Männerkleidung, hob die Dämonin das tote Fleisch an ihre Lippen und hielt dann inne.
»Also bist du nicht blind«, sagte sie zu Gyrion.
»Nein. Allerdings werde ich in wenigen Augenblick tot sein.«
»Und wir sollen dich retten, indem wir jetzt und hier die Wahrheit enthüllen?«
Cyrion hob die Schultern. Seine Augen waren klar und ruhig. »Sklavenehre. Wenn ihr so freundlich sein möchtet.«
»Für deine Schönheit dann«, sagte sie. Und neben ihr öffnete Karuil- Ysem den Mund zu einem furchterregenden Gähnen.
Die vordersten der Nomaden waren nur noch ein paar Schritte entfernt, als sie plötzlich stehenblieben. Über dem Gebrüll und dem Schrei nach Vergeltung schien ein dünner, hoher Ton zu schweben, und dann erstarb jedes Geräusch. Sie standen in der Haltung derer, die Bescheid wußten über die Dinge der Nacht, sie respektierten und verabscheuten. Keine Furcht stand in ihren Augen, nur der Ekel, der mit dem Wissen kommt.
Karuil-Ysem, der Vater seines Volkes, riß langsam in zwei Teile, wie sein Gewand unter Cyrions suchendem Messer zerrissen war. Jetzt zerplatzten Haut und Sehnen, und der Stoff des Umhangs glitt unbeschädigt von dem zerfallenden Körper. Es floß kein Blut. Etwas bewegte sich in dem geborstenen Leichnam, ein schmerzliches Stöhnen erklang, und dann wurde die Puppenhülle des Todes endgültig abgestreift. Ein nackter, schöner Mann, der sogar noch jünger wirkte als Cyrion, neigte sich bis fast zum Boden. Er hatte die Arme um den Leib geschlungen und sein Haar, das so schwarz war wie der nächtliche Himmel, umgab ihn wie ein Wasserfall.
Cyrion sprach zu Karuil-Ysems Volk, während die Dämonin ihren Bruder umarmte und die leblose Hand ihres Peinigers in diese Umarmung mit einbezog, so daß sie beide das Funkeln des Edelsteins sehen und das warme Blut riechen konnten. Die Geschichte, die Cyrion jetzt erzählte, wurde geglaubt, und als er fertig war, standen die Männer statuengleich um ihn herum, mieden die Dämonen mit Augen und Worten und warteten nur auf das, was noch gesagt werden mußte.
Auch Cyrion hatte gewartet, auf die Bewegungen hinter ihm auf dem Boden und die leisen, wimmernden Laute, die verkündeten, daß Ysemid wieder zu Bewußtsein kam.
»Er machte Dämonen zu seinen Sklave«, sagte Cyrion. »Wir kennen ihre Bräuche. Vielleicht ist dieser Tod dem Vatermord, den er begangen
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