Cyrion
Freund schläft übrigens im Honiggarten.«
»Tatsächlich?« Foy wirkte belustigt. »Hatte wohl noch nicht genug, das kriegerische Bürschchen. Als ich ihn verließ, lag er unter der Markise des Süßwarenhändlers in der Süßen Straße. Und er vertraute mir ein schreckliches Geheimnis an, bevor er entschlummerte.« Foy grinste. »Der verabscheuungswürdige Barbier hatte ihm den halben Schnurrbart abrasiert. Schnauzbart, dem armen Wicht, blieb nicht anderes übrig, als sich von der zweiten Hälfte auch zu trennen. Dann zwang er den Barbier, ihm beide Hälften wieder anzukleben. Ich sah den Beweis mit meinen eigenen Augen, da Schnauzbart das Ding abriß und damit herumwedelte, um den Süßwarenhändler und seine gesamte Sippschaft in Angst und Schrecken zu versetzen.«
Roilant bezeigte höfliches Erstaunen. Dabei scherte er sich keinen Deut um Schnauzbarts Gesichtszier, ob nun abgeschnitten, angeklebt, abgerissen oder wieder angeklebt. Roilant dankte Foy noch einmal für den Wein und ging weiter die Straße entlang.
Als er in den von Mauern gesäumten Weg am Ende der Straße einbog, beschleunigte Roilant seinen Schritt. Zwar war auf das Gesetz, bei Tage und in den besseren Vierteln Heruzalas, einigermaßen Verlaß, aber mit Dieben mußte man immer rechnen. Roilant, der um seinen baldigen Tod wußte, fand seine unwillkürliche Vorsicht lachhaft. Hatte er sich nicht in letzter Zeit angewöhnt, ohne Leibwächter und in seinen prächtigsten Gewändern auszugehen? Denn wenn ihm jemand einen Dolch zwischen den Rippen stach, was machte es aus? Genaugeno mmen, würde es eine gewisse Genugtuung bedeuten, auf diese Art zu sterben und damit Die Schritte hinter ihm waren sehr bestimmt, als sollten sie gehört werden. Es konnte ein Zufall sein oder auch nicht. Er hatte die Wahl, entweder wegzulaufen oder sich umzudrehen und sich dem zu stellen, der ihm folgte. Der Weg war noch lang. Und wenn er mit dem modischen Dolch, den er trug, auch nicht umgehen konnte, konnte Roilant ihn immer noch zur Hand nehmen und damit drohen.
Resigniert drehte er sich um. Und trotz aller Resignation, aller Schicksalsschläge und vergeblichen Hoffnungen, seufzte er erleichtert auf.
Was ihm da auf dem schmalen Weg zwischen den Mauern entgegenkam, war niemand anders als der zu kurz geratene Soldat. Abzüglich seines Schnurrbarts.
Fasziniert von dieser Veränderung, konnte Roilant den Blick nicht von dem breiten, feingezeichneten Mund lösen, den der Haarvorhang verborgen hatte. Erst als der Soldat nur noch zwei Meter von ihm entfernt war, bemerkte Roilant, daß noch etwas sich verändert hatte. Der so außerordentlich kleine Schnauzbart war jetzt etliche Zentimeter größer als Roilant selbst.
Roilant gab ein fragendes Geräusch von sich, das man unglücklicherweise auch als Hustenanfall interpretieren konnte.
Trotzdem blieb der Soldat stehen, lächelte engelsgleich und nahm mit einer schmalen beweglichen linken Hand, an deren Fingern mindestens sieben Ringe funkelten, die leichte Stahlkappe vom Kopf.
Das Haar war unverkennbar. Mehr als nur einfach blond, war es beinahe weiß, weißer Satin mit goldenen Fäden durchwoben. Jetzt, ohne die Kappe, reichte es bis auf seine Schultern und überstrahlte ein Kettenhemd von weit besserer Qualität als das des glücklosen Schnauzbarts. In dem Rahmen der überirdischen Haare ein überirdisches Gesicht, einschüchternd, unverwechselbar; denn welcher andere hätte so aussehen können? Einer der gefallenen Engel Lucefaels, hatte der Baumeister in seiner Geschichte gesagt. Einwandfrei die einzig passende Beschreibung.
Die Augen waren groß, klar, wunderschön und erinnerten in der Farbe an den Stahl aus Daskiriom. Sie hielten Roilant in ihrem Bann und ließen ihn nicht los.
Roilant ermannte sich und sagte einfach:
»Diesmal ist es Cyrion.«
»Diesmal«, erwiderte die melodische Stimme, so vertraut, als hätte er sie schon einmal gehört, »ist er es.«
»Und ich hoffe, Ihr habt Eure List genossen. Sehr schlau.«
»Vielen Dank. Vielleicht sollte ich Euch sagen, daß es mehr als eine war.«
»Überrascht mich«, sagte Roilant.
Er wurde mit einem weichen Lachen belohnt.
»Ich habe«, erklärte Cyrion, »dieses Spiel nicht nur gespielt, um Euch zu kränken. Wenn ich höre, daß ein Mann sich in ganz Heruzala nach mir erkundigt, werde ich neugierig.«
»Und mißtrauisch?«
»Vielleicht.«
»Und dann stolpere ich in den Honiggarten und biete Gold. Ich gebe zu, an Eurer Stelle wäre ich auch mißtrauisch
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