Da gewöhnze dich dran
odda wat?»
«Nee, richtig.»
«Er is in dieset Draußen gegangen und hat mit seine eigene Beine ’ne Strecke zurückgelecht? Dat glaub ich nich.»
«Doch, frag ihn. Er kann kaum gehen.»
Sie verschwindet und kommt nach zehn Minuten mit einer Kaffeetasse wieder. «Tatsächlich», meint sie. «Der Torti war joggen. Und getz geht er, als hätt er Quark inne Buxe.» Sie lässt sich in ihren Stuhl fallen und fährt ihren Rechner hoch.
«Gestern war Marcos bei mir», sagt sie. Marcos ist ihr portugiesischer Liebhaber, den sie vor drei Wochen während einer Kneipentour durch Düsseldorf kennengelernt hat. Ich weiß schon mehr über ihn als er selbst.
«Bei dir zu Hause?», frage ich.
«Jepp!», sagt Melanie und grinst.
«Und?»
«Wir ham ers zwei Gläser Wein gesüppelt, und ich hab Filetspitzen gekocht. Dann ham wa aufm Balkon geknutscht.»
«Nur geknutscht?»
«Auf’m Balkon schon.»
Ich höre sie hinter ihrem Monitor ihr Passwort eintippen. Sie rührt ihren Kaffee um und schlürft vernehmlich. «Ich nenn ihn ‹mein kleines Nussärschchen›. Er hat Pobacken wie Walnüsse: klein, abba hart wie Kastagnetten. Und er is so kuschelbedürftig! Nachm Sex wollta nur in meim Arm liegen, und ich sollt ihm dat Brusthaar kraulen. Wie ein Welpe!»
Mir fällt nicht recht ein, was ich darauf sagen soll. Allerdings ist mein Wortbeitrag auch nicht gefragt, denn Melanie fährt schon fort.
«Ers ma ham wa nur geknutscht. Allmächtiger, kann der Mann küssen! Überall hatt er mich geküsst, ü-ber-all. Dann ham wa ’s gemacht. Ich sach dir, der ging ab! Wie ’ne Nähmaschine.» Sie beugt sich hinter ihrem Monitor hervor, stochert mit gestrecktem Zeigefinger in der Luft herum und macht «Ra-ta-ta-ta-ta».
«Mel!», entfährt es mir. «Ich möchte das nicht wissen.»
«Um Mitternacht isser widda gefahren.»
«Nach Hause?»
«Ins Hotel. Er schläft doch immer im Garni inne Stadt, wenn er hier is.»
Marcos ist Vertreter für Badteppiche. Für exquisite Badteppiche, wie Melanie nicht müde wird zu betonen. Exquisite, von renommierten portugiesischen Designern entworfene Badteppiche. Badteppiche, von denen ein gewöhnlicher Badteppichbenutzer mit einem gewöhnlichen Muschelbad nur träumen kann. Mediterrane Muster, zeitlos. Reine Naturmaterialien, farbecht und mit hoher Wasseraufnahmefähigkeit. Hochgradig wertig. Dichtes und hohes Florgarn. Schadstoffarm und humanökologisch einwandfrei. Mit unübertroffener Flauschigkeit. Melanie weiß jetzt alles über Badteppiche. Und ich auch.
«Warum bleibt er nicht zum Frühstück?», frage ich Melanie. «Oder darf er nicht?»
«Lass ma. Dat hab ich einma gemacht. Da hat dat Nussärschchen sich morgens an mich rangerobbt und mir mit seinem fauligen Atem ‹Bom dia!› ins Gesicht gestöhnt – dat muss ich nich nomma haben.»
«Wie unterhaltet ihr euch eigentlich?»
«Wie meinste dat?»
«In welcher Sprache redet ihr miteinander?»
«Wieso reden?»
«Du und dein Nussärschchen, ihr müsst doch irgendwie absprechen, wann und wo ihr euch trefft. Und ein paar andere Informationen austauschen. Neben den Körpersäften.»
«Ach so, in Englisch. Er spricht gut Englisch. Muss er ja auch in seim Job. Is ja international. Er reist inne ganze Welt rum. Is ganz exquisit. Getz hatter die Rialto-Kollektion, die er unterbringen muss. Dazu gibbet allet passend, sogar die WC -Bürstengarnitur. Ein Traum, sach ich dir. Aber kannze nich bezahlen als normaler Mensch. Nur Marcos, der natürlich schon. Für jedet verkaufte Stück kricht er Provision. Deswegen hatter auch so viel Kohle. Fährt imma mit ’m Mercedes vor.»
«Sprecht ihr eigentlich auch über deinen Job – oder nur über seinen?»
Melanie senkt die Augen. «Na ja», sagt sie und dreht ihr Armband mit den unzähligen Anhängern: Kugeln, Sterne, Herzen, eine chinesische Winkekatze in Silber. «Wie soll ich et erklären. Ich hab ihm nich ganz die Wahrheit gesacht, wat meinen Job angeht.»
«Inwiefern?»
«Na, der fährt in so ’nem Schlitten vor! Is fast Millionär! Soll ich da sagen, ich mach Projektassistenz von ’nem Kaminski? Ich hab ihm halt erzählt, dat ich Managerin bin. Dat ich die Chefin von dem Laden hier bin.»
«Guten Morgen, die Damen!» Chef Kaminski betritt den Raum und blickt in die Runde. «Alle gut geschlafen?»
Melanie schlägt die Augen nieder.
«Sehr gut, danke», sage ich.
«Dann is ja gut», meint Kaminski und geht weiter in sein Büro.
«Wenn ich übrigens nomma heirate», sagt Melanie, «dann
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