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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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die eine Hallenseite mit der anderen verbindet und die Freiwurflinie markiert.
    «In die Ecke», befiehlt er, als wir wieder einigermaßen Luft kriegen.
    Wir trotten einträchtig zur Ecke. Ich stelle mich ziemlich weit hinten an, um nicht das Tempo vorgeben und die anderen im Nacken haben zu müssen.
    «Kurzer Sprint zu erstem Hütchen», gibt Iosif vor, «Sidestep zurück, vor, zurück, vor, zurück – in Abwehrbewegung. Wenn ihr dort hinten seid», er zeigt die Grundlinie entlang auf die andere Hallenecke, «Sprint bis Mittellinie, zügig zurück auf diese Seite. Fünfmal, los!»
    Rosi, die eben noch das Aufwärmen geleitet hat, ist die Erste. Sie stürmt vor zum ersten Hütchen, rückwärts zurück, vor zum nächsten. Die anderen Mädels schließen sich an, dann komme ich. Die abrupten Bewegungen, das wiederholte Starten und Abstoppen, hauen in die Knie wie ein Vorschlaghammer. Meine Beinmuskulatur war definitiv mal besser aufgestellt. Bei der dritten Runde habe ich harte Waden und brennende Oberschenkel, schnaufe wie ein Walross und bin kurz vorm Seitenstechen. Hinter mir läuft nur noch die Torfrau, die allerdings nicht im Mindesten so keucht wie ich, was peinlich ist, denn wenn die Torfrau mithalten kann, kann es noch nicht so anstrengend sein.
    «Alles klar, durchatmen, was trinken!», ruft Iosif, als wir die fünf Runden hinter uns haben. Wir gehen schwer atmend zu unseren Taschen, holen die Wasserflaschen heraus und trinken schweigend. Schnecke hat sich auf den Boden fallen lassen und lehnt im Schneidersitz an der Wand. Mit dem unteren Teil ihres T-Shirts wischt sie sich Schweiß von der Stirn.
    Katrin kommt zu mir. «Und?», fragt sie. «Wie findest du es bis jetzt?»
    «Anstrengend», presse ich hervor, nachdem ich die Flasche abgesetzt habe.
    «Aufstehen, Schnecke!», ruft Iosif. «In Bewegung bleiben. Aktive Erholung!»
    Wir gehen alibimäßig ein bisschen vor unseren Taschen auf und ab. Aus der anderen Hallenhälfte schallt es: «Schneller, ihr Caprifischer! Wir sind hier nicht in Saint-Tropez!» Die Herren auf der anderen Seite machen Liniensprints: vor zur ersten Linie, zurück zur Grundlinie, vor zur zweiten Linie, wieder zurück – bis sie die Mittellinie erreicht haben. Ihre T-Shirts sind nass, Haare kleben denjenigen in der Stirn, die noch welche haben. Der Trainer ist ein großer, bulliger Typ um die 50 , dessen weiße Beine in einer ausgeleierten Carl-Diem-Gedenksporthose Marke «Bundesjugendspiele 1956 » stecken. Am Knie hat er eine blau-weiße Manschette – vermutlich aus Solidarität, denn ansonsten steht er bewegungslos an der Seitenlinie, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und brüllt: «Gib Gas, Bunke! Das ist hier keine Herzgymnastik! Schneller, Peppi! Du willst dich doch wohl nicht von Mörtel in den Sack stecken lassen. Das ist peinlich, was ihr hier abliefert!»
    Als die Männer fertig gesprintet sind, ist unsere Pause zu Ende. Vier Turnmatten liegen in jeder Ecke der Hallenhälfte.
    «Fangen», erklärt Iosif. «Schnecke fängt an. Wenn sie dich berührt», er deutet mit dem Finger auf mich, «legst du dich auf die Erde und bleibst so lange liegen, bis vier Leute dich auf eine Matte getragen haben. Wer trägt, kann nicht gefangen werden. Los geht!»
    Schnecke rennt los und erwischt sofort Rosi, die noch in die Gegend guckt. Rosi legt sich mit dem Rücken auf die Erde wie ins Sterbebett und faltet andächtig die Hände auf dem Bauch. Vier Mädels tragen sie auf eine der Matten. Derweil hat Schnecke die Nächste berührt, die ebenfalls herniedersinkt. Dann ist sie auch bei mir, ich laufe weg, um eine Matte herum, wir stehen uns gegenüber. Schnecke täuscht links an, geht dann rechts herum. Ich versuche, mich ihrer Hand zu entwinden, aber vergebens: Sie berührt mich am Rücken, Ende, Sterbebett. Ich lasse mich schwer atmend auf den Boden sinken. Katrin und drei andere kommen und heben mich auf die Matte.
    «Nächste! Kinga fängt!», ruft Iosif. Schnecke stützt sich mit gestreckten Armen auf ihren Oberschenkeln ab und verschnauft am Rand, während die Jagd weitergeht. Erst nachdem alle dran waren, ist Ende. Dann stehen wir wieder bei unseren Taschen und trinken.
    «Dehnen! Trinken und dehnen!», ruft Iosif. «Nutzt die Zeit!»
    Ich stemme meinen rechten Fuß nach hinten gegen den Hallenboden, drücke das Knie durch und dehne meine Wade.
    «Du bist also auch Kreisläuferin?», fragt Schnecke, die breitbeinig neben mir steht und den Oberkörper nach vorne fallen

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