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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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mit dem Trichter nach vorne tragen, sind bereit für eine neue Beziehung. Die, die den Ausguss nach hinten tragen, suchen noch nicht wieder.»
    «Wer sagt das?», frage ich.
    «Das weiß doch jeder.»
    «Aber sonst geht’s dir gut, ja?»
    «Warum fragst du? Am Wochenende war ich sogar mit Gerda U-Bahn-Fahren.»
    Ich habe Gerda schon einmal kennengelernt, sie ist, seit Vatta eine neue Freundin hat, seine neue Schwiegermutter, eine herzige Dame von stämmigem Wuchs, die in Bochum wohnt.
    Früher fuhr Gerda regelmäßig für einen Bummel in die Innenstadt, doch mittlerweile sind ihre Knochen müde. Außerdem traut sie sich nicht mehr, seit die Stadtbahn unter die Erde verlegt wurde. Der Tunnel, dieses schwarze Loch, ist ihr suspekt. Die Zeit der Bunker sei vorbei, sagt sie und bleibt daheim.
    Deshalb sei Gerda zunächst nicht erbaut gewesen, habe sich jedoch überreden lassen. Irgendwann sei es an der Zeit, wieder etwas zu wagen, habe sie gesagt.
    «Ich hatte allerdings vergessen, dass in Bahnhöfen jetzt diese Performances stattfinden, wegen Kulturhauptstadt. Hast du das schon mal erlebt? Plötzlich stehen irgendwelche Fahrgäste auf und führen ein Schauspiel auf.»
    Ich bejahe und sage, dass ich davon gelesen hätte, erkläre, dass das Flashmobs seien, dass ich so was kennen würde und sehr verstörend fände. Entsprechend klemmte auch Gerda, der Ohnmacht nahe, während ihrer ersten Bunkerfahrt in die Innenstadt zwischen Schauspielern fest, schwer irritiert und um eine furchteinflößende Bahnfahrerfahrung reicher.
    «Das war nicht so optimal», gibt Vatta zu. Gerda sei «hoch verschwitzt» gewesen beim Ausstieg.
    «Sag mal», sage ich. «Ist deine Perle heute nicht da? Du telefonierst doch sonst nicht so lange mit mir.»
    «Sie ist seit heute für eine Woche mit ihrer Pilates-Gruppe auf Mallorca. Woher weißt du das?»

    Als es am nächsten Morgen kühl ist und regnet, klingelt tatsächlich Schnecke an meiner Tür und hilft mir – nicht in die Unterhose, aber in die Socken, legt ihr Kirschkernkissen in meinen Ofen und bringt ein Rheumapflaster mit.
    «Klebste dir auf den Rücken, und zack, biste wieder gesund.» Sie nimmt eins aus der Packung und pappt es mir ins Kreuz. «Wusstest du, dat Kerstins Freund Ruderer ist?»
    «Nee.»
    «Alta, das war vielleicht ein Fettnäpfchen! Als ich die beiden vorn paar Tagen das erste Mal besucht hab, seh ich so ’ne Urkunde an der Wand. ‹Oh›, sage ich, ‹ist der Matze auch mal Kreismeister geworden?› Im gleichen Moment les ich wat von ‹Olympic Games› und seh diese schwere Medaille. Da wusst ich: Dat war keine Kreismeisterschaft.» Matze, sagt Schnecke, rudere nicht einfach nur den Kanal auf und ab, als Familienausflug mit einem Liedchen auf den Lippen, sondern sei vielmehr einer von Neun im Deutschlandachter und habe bis anhin ziemlich viel abgeräumt: Weltmeistertitel, Olympia, das ganze Programm. Ich nicke anerkennend.
    «Brauchste noch was?», fragt Schnecke.
    «Danke», sage ich. «Alles super.»
    «Kommste am Sonntag zu Mörtel? Saisonauftakt, BVB gegen Leverkusen. Der Betonpumpenfahrer baut im Schrebergarten sein Rindersolarium und ’ne Leinwand auf.»
    «Nee, ich bin mit Kollegen im Stadion.»
    «Saubere Sache. Dann hau rein», sagt sie und haut wieder ab.
    Ich rolle mich ein bisschen auf dem Sofa herum, stehe dann auf und versuche, Gymnastik zu machen, mich zu dehnen, irgendwie zu mehr Beweglichkeit zu kommen. Aber sobald ich mich ein Stück hinabbeuge, tritt mir kalter Schweiß auf die Stirn. Also lasse ich es. Ich schlüpfe in Flipflops und gehe um den Block, kaufe mir zwei Micken, bemerke dann aber, als ich nach Hause komme, dass ich sonst nichts weiter im Haus habe: keine Butter, keine Marmelade, keinen Käse – und dass die letzte Flasche Wasser angebrochen ist. Im Kühlschrank schmiegen sich einsam ein Glas Senf und eine Tube Tomatenmark aneinander.
    «Werde verhungern», schreibe ich Björn per SMS .
    «//*stubs in nessyspeck»
    «Und verdursten, du herzloser Kerl. Nichts mehr im Haus. Vermisse dich.»
    «halte durch. notfallkuschel- und einkaufservice ist bald unterwegs.»
    Tatsächlich kommt Björn aus Essen. Die Notfallversorgung läuft also optimal, und das, obwohl ich erst seit wenigen Monaten hier wohne.
    Ich schreibe ihm einen Einkaufszettel, und Björn fährt zum Supermarkt. Doch schon nach zehn Minuten klingelt mein Handy.
    «Ich stehe hier vor einem Regal», sagt Björn. «Drei Meter links, drei Meter rechts, fünf Etagen. Wie konntest du

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