Da gewöhnze dich dran
es hölzern zwischen Plastikblumen.
Später, im Bett, höre ich die beiden. Mit kleinen Häppchen Atemluft presst sich rhythmisches Fiepen aus weiblichen Lungen: «gni, gni, gni.» Erst zaghaft, dann fordernd, kein «Gni» mehr, sondern ein «Aaah! Aaah! Jaa!», dann erneut verhalten, «gnja, nja, gnja», fast schüchtern, dann lauter, öfter, energischer, bis sich ein tiefer Seufzer entlädt.
Ich spüre, wie nachbarliches Wohlgefühl durch die Wand sickert, höre die leise knisternde Stille. Von der Straße klingt das entfernte Hupen eines Motorrollers.
Dann, plötzlich, eisbärhaftes Grunzen. «Joaaah, oaaaaah, oaaaaah!»
Etwas schlägt gegen die Wand. Heftig, immer heftiger.
Dann: Stille. Verschwitzte Ruhe. Nackte Füße, die über Laminat laufen. Eine Toilettenspülung. Das Quietschen eines Bettrahmens.
Ich rolle mich in mein Federbett ein. Gute Nacht, Gabi. Gute Nacht, Rainer. Gute Nacht, John-Boy. Gute Nacht, Nessy. Gute Nacht, Björn.
In der Nacht erwache ich. Es ist halb fünf, der erste fahle Schein drängt sich durch die Ritzen der Gardine. Vögel zwitschern. Ihr Gesang ist hier leiser als auf dem Land, weniger enthusiastisch, und wird von aufbrechenden Arbeitern, dem leisen Rauschen des Morgenverkehrs, dem Dröhnen von Flugzeugen, gelegentlichen Sirenen und dem Trippeln von Stöckelschuhen übertönt, das aus dem Hof hinaufhallt. Mein Körper ist warm von der Nacht, müde und schwer. Er möchte schlafen, doch mein Kopf ist wach. Meine Gedanken trudeln durch die Dämmerung, ein Fluss aus Strudeln und Wirbeln.
Tief unten im Hof rollt jemand Mülltonnen über das Pflaster. Es ist Montag, montags werden der Restmüll und das Altpapier abgeholt, gelbe Tonne mittwochs, Grünabfälle am Freitag, das hat mir Wolfgang Böhm auf einem Zettel gemeinsam mit dem Mietvertrag ausgehändigt, das habe ich mir pflichtschuldig mit einem Magneten an den Kühlschrank gehängt. Wer einen Abfallkalender besitzt, denke ich, und meine Gedanken sind im Sauerland, hätte eigentlich auch Schützenkönigin werden können, hätte eigentlich eine Doppelhaushälfte mit Jägerzaun und Buchsbaumvorgarten kaufen können, mit Deko-Springbrunnen und Bistrogardine hinter dem Küchenfenster.
Der Wecker klingelt. Mein Kopf ist schwer, meine Augen sind müde. Das Zimmer ist hell vom Schein der Sonne. Staub tanzt in den Strahlen. Mein Handy piept. «guten morgen süße», schreibt Björn. «ich vermisse dich schon wieder.» Die Schwermut ist verflogen.
Ich gehe ins Bad, dusche mir die Melancholie aus dem Herzen, creme mich mit duftender Körpermilch ein, und da passiert es. Frisch geduscht und duftend, beuge ich mich zu meinem Föhn in der untersten Regalablage hinab – dann ein kurzes, dumpfes Ziehen im Rücken, und ich weiß, dass die nächsten vierzehn Tage im Eimer sind. Ich versuche, mich aufzurichten, mich zu strecken, mich zu dehnen, mich wieder zu neigen, watschele gekrümmt durch die Wohnung, doch vergebens. Ich muss zum Arzt. Doch ich bin nackt.
Krumm wie eine welkende Tulpe stehe ich im Schlafzimmer, eine frische Aloe-Vera-gecremte Blume mit kaltem Tau auf der Stirn. Mit der linken Hand stütze ich mich am Kleiderschrank ab, die rechte fischt den ersten erreichbaren Slip aus der Schublade, schüttelt ihn aus und hält ihn in die Luft wie der Dompteur den brennenden Feuerreifen. Mein linkes Bein nimmt Anlauf, stößt beherzt zu – doch, ach, verpasst das Loch.
Den nächsten Versuch muss ich abbrechen, ein stechender Schmerz fährt mir in die Lendenwirbel, ich zwinkere die Tränen weg. Beim dritten verheddern sich drei Zehen im Stoff, ich stürze fast aufs Bett. Ein würdeloses Schauspiel, während die Morgensonne durch die Gardinen scheint und die Szenerie in blasshelles Sommerlicht taucht.
«Größere Löcher, weniger Stoff», denke ich, im Ansatz verzweifelt. Mit klammen Fingern durchsuche ich die Tangas und finde schließlich ein glänzend weinrotes, maximal pornöses Teil mit einer dicken schwarzen Schleife über der Poritze. Es hatte damals, als ich es kaufte, etwas mit Junggesellinnenabschied zu tun, nicht mit Erotik. Beinahe behände steige ich ein, ich muss ja nur ein schmales Band überwinden.
Am Ghettonetto gibt es einen Chiropraktiker, ich habe sein Praxisschild schon einmal gesehen. Zwei Stunden warte ich im Wartezimmer, zwei Stunden, in denen ich Kaminski anrufe und sage, dass ich heute nicht komme, in denen ich Björn eine SMS schreibe, dass ich ein Pflegefall bin, in denen er mich anruft und mir sein
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