Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz
bebte am ganzen Leib und erwartete offensichtlich, dass sie das Wort an ihn richtete. Stattdessen sagte sie nichts, sie sah ihn nur an, mit einem leeren, unheilbar traurigen Blick. Dem konnte Frank nicht standhalten, er wankte und stieß seine Faust unter einem fürchterlichen Schrei in die Richtung von Biancas Kopf.
»Du Hure!«, schrie er.
Obwohl Bianca keinen Versuch unternommen hatte, seinem Angriff auszuweichen, traf sein Schlag ins Leere. Bianca war wie in Trance, ganz in ihrer Traurigkeit verschlossen.
Frank taumelte und stolperte nach vorne, doch nur ein kurzes Stück. Im nächsten Augenblick spürte er die entschlossene Kraft von vier kräftigen Händen. Rubin und Bernstein ergriffen ihn gemeinsam, und Rubin zwang ihn mit Polizeigriff in die Knie.
Ein letztes, verzweifeltes Mal schrie Frank: »Du Hure!« Doch seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Röcheln.
32
Jana Cerni wollte Frank Handschellen anlegen, doch Rubin schüttelte den Kopf.
»Ich denke, das wird nicht nötig sein.«
»Soll ich ihn abführen, Chef?«
»Noch nicht. Später.«
Frank stand an den Löwenbrunnen gelehnt und blickte zu Boden. Er machte eine Unschuldsmiene. Aber schämte er sich tatsächlich für seinen Wutausbruch, für seine sinnlose Flucht, ja, für seine Tat?
»Du hast dir alle Mühe gegeben, deine Spuren zu verwischen. Doch etwas vergisst man immer«, sagte Rubin.
Rubin trat zu Bianca und nahm die Sporttasche von Frank an sich. Er öffnete sie und holte einen Schuh aus der Tasche.
»Wir werden eine kriminaltechnische Untersuchung einleiten, die den Dreck an deinen Schuhen mit dem Schmutz in Serkans Wohnung vergleicht. Du ahnst vielleicht, welches Ergebnis wir damit erzielen werden. Du kannst also gleich zugeben, dass du in Serkans Wohnung gewesen bist«, sagte Rubin.
»Also gut, es stimmt, ich war in Serkans Wohnung! Aber es ist alles nicht so, wie es aussieht«, erwiderte Frank.
»Du wolltest in Serkans Wohnung die Spuren der Liebe zwischen Bianca und Serkan verwischen.«
Frank horchte auf. Das Wort »Liebe« bereitete ihm sichtbar Qualen. Doch er unterdrückte eine weitere Schmähung.
Bernstein nutzte die Pause und sagte: »Dabei hast du vor Aufregung ganz deine Kinderstube vergessen und dir die Schuhe nicht abgeputzt. Das war nicht schön von dir!«
Frank spannte die Kiefermuskeln an und atmete durch die Nase.
»Oder lag es daran, dass der kaltblütige Mord zuvor deinen Sinn für Anstand ein klein wenig ins Wanken gebracht hat?«
Frank riss die Augen auf. »Es war kein Mord!«, rief er. »Und ich bin kein Mörder! Ich kann alles erklären.«
»Meiner Treu, es war also kein Mord?«, fuhr Bernstein mit einer ausladenden Geste fort, die ein Fechter vollführt, bevor er eine Attacke einleitet. »Dann sage mir, welcher Begriff passt besser auf das, was sich hier vor genau drei Tagen zugetragen hat?«
Frank schwieg, er dachte nach, etwas in seiner Miene zeigte fast so etwas wie Erleichterung.
»Gestatte, dass ich versuche, dir auf die Sprünge zu helfen.«
Bernstein warf sich in Rednerpose. »Seit einiger Zeit schon spürtest du im Gewölbekeller deines Herzens, dass in der Beziehung zu Bianca nicht mehr alles so wie am Anfang war. Aber du dachtest: Das ist eben so, das ist der Lauf der Dinge.
Du sahst das Ganze eher von der praktischen Seite. Schließlich bist du ein praktischer Mensch, so ist dein Vater, so bist du erzogen. Und auch die Liebe hat für dich etwas Praktisches. Sie ist keine Himmelsmacht, die von den nachtblauen Engeln Chagalls auf die Erde hernieder getragen wird.
Du kennst Bianca seit deiner Kindheit. Sie kennt dich. Was gibt es zu meckern? Das reicht im Großen und Ganzen. Obwohl du noch nicht offiziell im Hafen der Ehe deine Schaluppe vor Anker gebracht hast, verhältst du dich nicht anders als jeder alterskranke Hafenbeckenkapitän bei Dauerflaute: Du bleibst, wo du bist, und schrubbst fleißig das Achterdeck.«
Frank war sichtlich verwirrt. Rubin verfolgte jede Regung seines Gesichtes für einen möglichen Hinweis. Frank schien nicht zu wissen, ob das eine Posse oder ein Verhör war. Gleichzeitig wagte er nicht zu widersprechen. Bianca rückte näher an Jana Cerni heran, die sie fürsorglich in den Arm nahm.
Bernstein fuhr unbeirrt fort: »Doch deine praktische Ader erleidet bald einen Blutstau. Deine Bianca beginnt sich zu verändern. Wie kühn von ihr! Huch, denkst du, sie tut plötzlich Dinge, die ich nicht verstehe. Ja, sie erwärmt sich für die Abenteuer der Poesie, sie
Weitere Kostenlose Bücher