Da muss man durch
sehen wir weiter.»
«Die Kavallerie ist unterwegs», sagt Schamski sonnig.
«Die Kavallerie soll Anzug und Krawatte mitbringen», erwidere ich.
«Ich lasse mir nichts von Zivilisten befehlen», sagt Schamski und legt auf.
Etwas später stehe ich vor dem Gartenhaus von Uschi und Jupp. Ich möchte fragen, ob ich einen Wagen bekommen kann, um in
die Stadt zu fahren. Einerseits schulde ich Günther noch einen Anruf, den ich aus Gründen der internationalen Sicherheit
von einem öffentlichen Telefon aus führen muss, andererseits würde ich wahnsinnig gern |62| normale Menschen sehen und einen Drink in einem normalen Café nehmen.
Ich klopfe.
«Ja!», ruft Uschi fast im selben Moment.
Ich öffne die Tür und stoße dabei gegen eine leere Flasche. Sie rollt laut klackernd über die Terrakottafliesen.
Jetzt sehe ich den Hinterkopf von Uschi. Sie liegt im Bett, ihre blonden Haare sind zerzaust. Dahinter ragen ihre großen,
nackten Brüste unter der Bettdecke hervor.
Ich will gerade eine Entschuldigung stammeln, weil ich offenbar etwas falsch verstanden habe, da taucht zwischen Uschis
Brüsten der Kopf des alten von Beuten auf.
«Es ist nicht so, wie Sie denken, Paul», sagt er leicht lallend.
«Genau! Der Karl und isch, wir lieben uns!», ruft Uschi.
Binnen der nächsten Minuten erfahre ich, dass Karl und Uschi seit fast zwanzig Jahren ein heimliches Liebespaar sind. Sie
kannten sich schon, als Uschi und Jupp noch ihren Suppenimbiss betrieben. Karl hat es arrangiert, dass die beiden auf das
Anwesen der von Beutens ziehen konnten. Jupp ist nicht Uschis Mann, sondern ihr Bruder. Er kam auf die Insel, weil er sich
in eine Kneipiersgattin aus Palma verliebte. Nachdem er deren Ehemann überlebt hatte, hätte Jupp eigentlich bei der Witwe
einziehen können, behielt aber seinen Wohnsitz im Gartenhäuschen bei, um Uschis Tarnung nicht zu gefährden. Gäbe es in der
ganzen Geschichte noch eine verscharrte Leiche und einen diabolischen Staatsanwalt, könnte man einen prima Groschenroman
daraus machen.
Ich gönne Elisabeth von Herzen, dass ihr Mann sie mit Uschi betrügt. Und ich gönne der frostigen Patriarchin |63| auch, dass es sich bei ihrer Nebenbuhlerin um eine Frau aus dem Volk handelt, die obendrein zum Personal gehört und keine
akademische Ausbildung hat, weil Uschi damit nämlich all das in sich vereint, was Elisabeth zutiefst verachtet.
Mehr noch gönne ich Karl und Uschi ihre heimliche Romanze. Ich verspreche deshalb, bei niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen
darüber zu verlieren. Die beiden wollen mich für mein Schweigen bezahlen, aber ich lehne selbstredend kategorisch ab. Außerdem
finde ich es rührend, dass sie seit Ende der Achtziger darauf sparen, eines Tages ein neues Leben anzufangen. Uschis bescheidene
Ersparnisse und Karls noch bescheideneres Taschengeld werden aber wohl erst nach Karls neunzigstem Geburtstag für einen Neuanfang
reichen. Wenn überhaupt.
Auf dem Weg in die Stadt bin ich bester Laune. Das Cabrio schnurrt die Serpentinen entlang, ein warmer Wind streicht durch
mein Haar, in der Ferne glitzert das Meer. Ein schöner Tag, und das in doppelter Hinsicht, denn ich habe gerade neue Verbündete
gefunden.
Das Städtchen wirkt verschlafen und wenig touristisch. Im Zentrum gibt es einen kleinen Marktplatz mit einem Brunnen. Wie
ich richtig vermutet habe, befindet sich dort auch ein Café. Es ist bunt eingerichtet und macht einen freundlichen Eindruck.
Die meisten Gäste sitzen plaudernd und trinkend im Freien, drinnen ist es fast leer.
Ich stehe an der Theke, nippe abwechselnd an meinem Café con leche und meinem Mineralwasser und wähle mit dem Hausapparat
Günthers Nummer in Kansas. Die Verbindung ist jetzt in seinem Sinne zwar sicher, dafür kann das halbe Städtchen unser Gespräch
mitverfolgen. Das werde ich ihm aber dezent verschweigen.
|64| «Okay, ich rufe dich gerade von einem öffentlichen Fernsprecher aus an. So, wie du es wolltest. Also, was gibt’s?»
«Das erklär ich dir später. Ich brauch deine Hilfe.»
Ich spüre, dass ihn etwas beunruhigt.
«Hast du Ärger mit der Polizei oder so?»
«Nein!», erwidert Günther entschieden. «Überhaupt nicht! Aber hör auf, mich zu löchern. Sag einfach, ob du mir hilfst.»
Oft entpuppen sich Günthers gewaltige Probleme bei näherem Hinsehen als mikroskopisch kleine Schwierigkeiten. Ich weiß das
aus Erfahrung. Mir ist aber auch klar, dass Günther nicht eher Ruhe gibt, bis er
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