Da muss man durch
Beutens Höflichkeiten auszutauschen. Konstantins Blasiertheit und Elisabeths Selbstherrlichkeit gehen mir wahnsinnig
auf den Senkel. Um mich zu beruhigen, mache ich einen Spaziergang. Leider falle ich dabei Melissa in die Hände.
«Mr. Schuberth! Wie schade, dass Sie nicht an unserem kleinen Ausflug teilnehmen können.» Sie hakt sich geschmeidig bei mir ein.
|59| Wir gehen ein paar Meter, derweil sie sich umsieht, ob jemand in Hörweite ist. «Warum bist du gestern Nacht nicht gekommen?»,
fragt sie und fügt in gespielt tadelndem Ton hinzu: «Das ist keine Art für einen Gentleman. Ich habe auf dich gewartet.»
Zum einen bin ich kein Gentleman, zum anderen hatte ich gehofft, Melissa würde den Plan, mit mir eine Familie zu gründen,
noch einmal überdenken, wenn ich dem Rendezvous unhöflicherweise einfach fernbliebe.
«Ich hatte uns eine Flasche Champagner mitgebracht», sagt sie und flirtet. «Ich dachte, wir würden mit dem Boot ein Stück
rausfahren und den Sternenhimmel betrachten.»
Was Frauen Männern in den letzten Jahrzehnten so alles abgeguckt haben, ist wirklich beängstigend.
«Melissa, du bist eine attraktive Frau …», beginne ich, aber sie winkt ab.
«Paul, das weiß ich. Ich bin attraktiv, ich habe Geld, ich mag gutes Essen, edle Weine und luxuriöse Hotels. Außerdem
bin ich gebildet, und man kann sich ausgezeichnet mit mir unterhalten.» Sie sieht mir direkt in die Augen und bellt: «Was,
zur Hölle, spricht also gegen ein Rendezvous mit mir?»
«Nichts», erwidere ich kleinlaut.
Allenfalls die Tatsache, dass Melissa mir Angst einjagt.
«Aber …?», fragt sie bedrohlich.
Ich überlege angestrengt. «Ich wollte Berufliches und Privates nicht vermischen», versuche ich mich zu retten.
Ich bin nicht eben stolz auf diese Finte.
Sie mustert mich, überlegt nun ihrerseits. «Und das ist keine Ausrede?»
«Nein!», lüge ich wie aus der Pistole geschossen.
|60| Sie sieht mich immer noch an und scheint sich etwas zu entspannen.
«Gib uns einfach ein paar Tage Zeit», sage ich und mache einen leicht zerknirschten Eindruck, als sei ich selbst unglücklich
darüber, unsere Romanze kurzzeitig aufschieben zu müssen. «Lassen wir es ruhig angehen, was hältst du davon?»
Sie überlegt, während ich mich angemessen dafür schäme, was für ein Schmierentheater ich ihr da gerade vorspiele.
«Okay», sagt sie mit einem Lächeln. «Ich warte.» Sie küsst mich kurz auf die Wange und wendet sich ab. Im nächsten Moment
dreht sie sich noch einmal um und wirft mir einen koketten Blick zu: «Aber ich warte nicht zu lange, Mr. Schuberth.»
Sie flaniert Richtung Bootssteg, ich sehe ihr nach. Sollte sie rauskriegen, dass ich heute Morgen mit Audrey gevögelt habe,
wird Melissa von Beuten nicht eher ruhen, bis ich mit einem Anker um den Hals auf dem Grund des Meeres liege. So viel ist
sicher.
Als ich etwas später die Unterlagen für meine morgige Präsentation studiere, kann ich mich nicht richtig konzentrieren. Ich
ärgere mich. Es war eine idiotische Idee, mit Audrey zu schlafen. Ich hätte das wissen müssen. Die größten Komplikationen
auf der Welt entstehen durch unkomplizierten Sex. Wenn Audrey unser Tête-à-Tête ausplaudert, was nicht unwahrscheinlich ist,
weil sie sowieso das Herz auf der Zunge trägt, dann kann ich meine Koffer packen. Außerdem regt es mich auf, dass Elisabeth
Schamski nicht im Vorstand duldet. Ich möchte um keinen Preis auf ihn als meinen Stellvertreter verzichten. Wenn nicht die
Affäre mit Audrey gegen den Job spricht, dann die Personalie |61| Schamski. Im Prinzip kann ich den Kram also auch hinschmeißen. Ich überlege und merke dabei, dass ich noch keine Lust habe,
jetzt schon die Flinte ins Korn zu werfen. Ich muss mit Audrey reden. Und ich muss Schamski anrufen.
Ich greife zum Handy und wähle seine Nummer.
«Wie läuft’s im Circus Maximus?» Er ist bester Laune.
«Geht so. Ich hab mit der jungen von Beuten geschlafen. Und deren Tante stellt mir nach. Außerdem hassen mich alle, ich soll
Raakers feuern, und sie wollen dich nicht als meinen Stellvertreter. Ob ich den Job überhaupt bekomme, ist mehr als fraglich.»
Eine kurze Pause entsteht.
«Na, das klingt doch alles lösbar», sagt Schamski gemütlich.
«Kannst du nach Mallorca kommen?»
«Klar. Wann?»
«Morgen früh. Zur Sitzung. Ich möchte, dass sie dich kennenlernen. Wenn sie dann immer noch der Meinung sind, du bist der
Falsche für den Job, dann
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