Da muss man durch
verstreichen lassen und hat alle körperlichen Reserven mobilisiert.
Wobei Audrey auch ziemlich mobilisierend wirkt, denn sie ist nicht nur jung und schön, sondern auch ansprechend verludert.
Jetzt ist mein Duschgel leer, der Vorhang hat an einer Ecke einen Riss, und ich weiß, wie ihr Tattoo aussieht. Vielleicht
gibt es ja da draußen doch einen Gott, der mir als Trost für meine schändlichen Leistungen auf dem Tenniscourt einen Quickie
mit einem Hippiemädchen spendiert hat.
Obwohl ich mich im Moment ziemlich gut fühle, weil mein Gehirn in Hormonen badet, ärgert mich, dass ich meinen Prinzipien
untreu geworden bin. Das ist zwar nichts Neues, aber ich dachte, mit zunehmendem Alter wäre es einfacher, seinen Prinzipien
zu folgen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Zum einen ist mein professioneller Plan im Eimer. Zum anderen habe ich
immer noch eine Schwäche für Iris, was mich aber nicht daran gehindert hat, mit ihrer Schwester unter die Dusche zu |54| steigen. Ein moralisch akzeptables Verhalten sieht definitiv anders aus. Da würde mir wohl auch die Familie von Beuten zustimmen.
Wenn herauskäme, dass ich mit Audrey geschlafen habe, wäre meine Zeit als Vorstandschef zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen
hätte. Elisabeth mag mich sowieso nicht, für sie wäre die Gelegenheit ideal, mich abzuschießen. Timothy und Konstantin würden
sich auf die Seite der Patriarchin schlagen, gefolgt von Melissa, die bestätigt fände, dass Männer meines Alters entweder
beziehungsunfähig, suchtkrank oder verhaltensauffällig sind. In gewisser Weise hat sie sogar recht, ich hätte mich unter
der Dusche ja auch anders entscheiden können. Ich habe mich also moralisch zweifelhaft verhalten, was mich nun politisch
in große Schwierigkeiten bringen könnte. Kurz gesagt: der Klassiker.
«Dr. Schuberth?» Konstantin reißt mich aus meinen Gedanken. Seit mehr als zwei Stunden reden wir über die künftige Geschäftspolitik,
und er wird nicht müde, sich als Traditionalist in Szene zu setzen. Jeder seiner Diskussionsbeiträge dreht sich um das Bewahren
des Erreichten durch effizientes Kostenmanagement und einen umfassenden Investitionsstopp. Wäre Konstantin ein hanseatischer
Kaufmann, würde er sich zum einen weigern, die alten Windjammer durch moderne Containerschiffe zu ersetzen, und zum anderen
bei den Segeln sparen.
Da es sich heute um unser erstes Treffen handelt, halte ich mich mit meiner Meinung zurück. Morgen möchte ich eine Analyse
der massiven Verluste in unseren Printprodukten durch konkurrierende Online-Dienste vorstellen, danach müsste auch Konstantin
einsehen, dass man eine Sturmflut nicht verhindert, indem man seine Gummistiefel verscherbelt.
|55| «Entschuldigung, ich war gerade in Gedanken. Wie war Ihre Frage?»
Konstantin streckt sich in seinem Sessel, man merkt, er fühlt sich ungeheuer kreativ und effizient. «Ich habe angeregt,
die Porto-Politik im Verlag genau unter die Lupe zu nehmen, und wollte wissen, was Sie davon halten, Dr. Schuberth.»
Ratlos schaue ich in die Runde. Timothy blickt zur Decke, er scheint die Sitzung auch etwas zäh zu finden. Der alte von Beuten
wirkt schon seit einer Stunde teilnahmslos. Wahrscheinlich ist ihm ebenso langweilig wie mir, weshalb er im Geiste die Alkoholvorräte
durchgeht oder neue Cocktails kreiert.
«Die Porto-Politik», sage ich und habe keinen blassen Schimmer, was Konstantin meinen könnte.
«Genau», erwidert der beflissen. «Wir verschicken täglich Briefe, Zeitungen und Pakete. Ich vermute, da gibt es ein enormes
Einsparpotenzial.»
«Ich werde das überprüfen», erwidere ich und kritzele «Porto-Politik» auf meinen Block. Dort stehen inzwischen rund ein halbes
Dutzend Vorschläge von Konstantin. So regt er beispielsweise an, die im Verlag verwendeten Seifen- und Papierhandtuchspender
mit dem Hinweis «Sei sparsam» zu versehen oder die Firmenwagen nur noch vierzehntäglich statt wöchentlich zu waschen. Außerdem
hat Konstantin die bahnbrechende Idee, künftig im Verlag keine Heißgetränke mehr auszuschenken. Mal abgesehen davon, dass
es Kunden und Bankvertretern großes Vertrauen in die Zukunft eines Unternehmens gibt, wenn man ihnen Leitungswasser vorsetzt,
hat Konstantin übersehen, dass die Mitarbeiter längst für ihren Kaffee zahlen. Es gibt mehrere Münzautomaten im Haus, am
Ende des Monats |56| bleibt nach Abzug der Kosten sogar noch etwas Geld übrig, davon macht die
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