Da muss man durch
Belegschaft einmal im Jahr einen Ausflug oder ein
Grillfest.
«Müssen wir das denn machen mit dem Grillfest?», hatte Konstantin auf meine Erklärung hin ebenso forsch wie investigativ
nachgehakt.
«Wir könnten beim Grillfest auf das Grillen verzichten», hatte ich gescherzt, was Konstantin aber wohl für einen ernsthaften
Vorschlag hielt, denn er nickte und machte sich Notizen.
In diesem Moment begann meine innere Emigration. Ich bin mir im Klaren darüber, dass Unternehmen effiziente Strukturen brauchen
und deshalb Kosten reduziert werden müssen, wo immer das möglich ist. Trotzdem finde ich es ziemlich widerlich, wenn millionenschwere
Eigentümer auf ihren Yachten und mallorquinischen Sommerresidenzen darüber grübeln, wie sie in ihren Unternehmen Toilettengebühren
einführen oder den Mitarbeitern die Pinkelpausen vom Gehalt abziehen können.
Zum Glück muss ich mich nicht länger aufregen, denn unsere Erbsenzählerrunde neigt sich dem Ende zu. Konstantin dankt den
Anwesenden für den konstruktiven Vormittag und beschließt die Sitzung.
«Ach, eine Kleinigkeit noch, Dr. Schuberth», sagt er, als wir schon im Aufbruch begriffen sind. «Ich hatte heute Morgen Gelegenheit, mit Mutter über Ihre
Vorschläge für die personelle Besetzung des Vorstands zu sprechen. Dr. Raakers scheidet ja aufgrund seiner Probleme leider als Ihr Stellvertreter aus …»
Raakers hat sich kürzlich von seiner Frau getrennt und sich zu seiner Homosexualität bekannt. Mag sein, dass er momentan
Probleme hat, die sind aber wahrscheinlich |57| kleiner als jenes, ständig mit dem falschen Geschlechtspartner im Bett zu liegen.
«Es ist ja sowieso fraglich, ob er seine Aufgaben perspektivisch überhaupt noch erfüllen kann …»
Görges, mein Vorgänger, hat mich bereits davor gewarnt, dass die konservative Familie von Beuten enorme Schwierigkeiten
mit einem schwulen Finanzchef haben wird. Konstantins Attacke trifft mich also nicht ganz unvorbereitet.
«Was aber nun Ihren Wunsch betrifft, Herrn Schamski zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden zu machen, so möchte Mutter
in dieser Sache ihr Veto einlegen.»
Jetzt bin ich doch baff. Elisabeth von Beuten akzeptiert Schamski nicht als meinen Stellvertreter. Das freundlich formulierte
Veto ist nichts anderes als ein klares Nein.
«Das wundert mich. Ich habe Herrn Schamski nicht nur ausgewählt, weil er viele Jahre im Verlag tätig ist, sondern auch,
weil er …»
Weiter komme ich nicht, denn Konstantin fällt mir ins Wort. «Herr Schamski hat mit Sicherheit eine Menge Qualitäten, Dr. Schuberth. Mutter glaubt aber nicht, dass er die politischen Fähigkeiten besitzt, den Verlag alleine zu führen, falls Sie
längerfristig verhindert sind.» Konstantin sagt es mit einer Verbindlichkeit, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte. «Und
ich muss gestehen, ich stimme Mutter zu. Herr Schamski ist gelernter Automechaniker, hat dann eine Umschulung gemacht,
war mal selbständig und ist schließlich als Anzeigenverkäufer bei uns gelandet.»
«Und hat sich zum Vertriebschef hochgearbeitet», hake ich ein.
«Trotzdem ist sein Lebenslauf alles andere als vertrauenerweckend», erwidert Konstantin ungerührt. «Außerdem |58| verfügt Herr Schamski nicht mal über eine akademische Ausbildung.»
Da liegt also der Hase im Pfeffer. Im Hause von Beuten umgibt man sich mit Aristokraten und Akademikern. Alle anderen dürfen
Hecken schneiden oder die Küche in Ordnung halten.
Für einen Moment habe ich große Lust, Konstantin zu sagen, dass er seinen Scheiß allein machen kann. Ich besinne mich aber
und erwidere: «Ich möchte mir das gerne durch den Kopf gehen lassen.»
«Tun Sie das», erwidert Konstantin jovial. «Wir können ja später nochmal darüber sprechen, welche Kandidaten sonst noch
in Frage kommen.»
Bevor ich etwas erwidern kann, hat er zusammen mit Timothy das Zimmer verlassen. Der alte von Beuten erhebt sich, klopft
mir kurz auf die Schulter und sieht mich mit einem verständnisvollen Blick an, der zu sagen scheint: Nimm es nicht allzu
tragisch, alter Junge. Elisabeth hat schon ganz anderen Leuten den Vormittag versaut – und mir das ganze Leben.
Für den mittäglichen Bootsauflug nebst Picknick in einer einsamen Bucht habe ich mich bereits beim Frühstück abgemeldet. Ich
möchte die morgige Präsentation nochmal durchgehen und muss ein paar Telefonate führen. Ich hätte jetzt sowieso keine Lust,
mit den von
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