Da muss man durch
leicht gequält.
«Entschuldigen Sie, Paul», sagt Timothy. «Aber wir wollten gerade los.»
«Lassen Sie sich nicht aufhalten», erwidere ich. «Wir sehen uns ja später beim Abendessen.»
«Genau.» Timothy zieht Iris sanft mit sich, und die beiden streben dem Ausgang zu. Ich sehe ihnen hinterher und habe die
leise Hoffnung, dass Iris sich noch einmal kurz zu mir umschauen könnte. Aber sie tut nichts dergleichen, sie vermeidet
sogar, mich anzusehen, als sie mit Timothy an dem Fenster vorbeigeht, hinter dem ich an der Bar stehe.
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|68| Männer sind komisch
Es ist noch Zeit bis zum Abendessen, also fahre ich ans Meer, setze mich dort auf einen Felsen und genieße den Blick auf
das makellose Blau.
Es dauert keine zwei Minuten, da geht mein Handy. Lisa hat mit Gordon darüber gesprochen, wie man die Geschichte mit Fred
und den Rottweilern aus der Welt schaffen könnte. Leider ist Gordon nicht sehr entgegenkommend. Prinzipiell ist er bereit,
sich außergerichtlich zu einigen, allerdings nur gegen Zahlung eines hohen fünfstelligen Betrages.
«Was heißt das?», frage ich und ahne, dass mein meditativer Moment am Meer gleich ein jähes Ende finden wird.
«Er will fünfundzwanzigtausend Dollar», erwidert Lisa. «Und zwar …»
«Fünfundzwanzigtausend?», motze ich. «Für zwei Scheißrottweiler?»
«Wenn du mich ausreden lassen würdest, könnte ich es dir erklären», sagt Lisa ruhig, aber hörbar gereizt. «Er will fünfundzwanzigtausend
pro Hund. Also fünfzigtausend für beide. Weil es nämlich Bühnenhunde sind.»
«Bühnenhunde für fünfzigtausend Dollar? Wer sind die beiden? Simon und Garfunkel?»
«Reg dich nicht so auf», sagt Lisa. «Die Hunde sind Teil der Bühnenshow von Gordons Rockgruppe. Sie haben eine |69| spezielle Ausbildung. Und die war ziemlich teuer. Gordon sagt, er kann die Hunde nicht mehr einsetzen. Sie sind total verstört,
Fred hat sie traumatisiert. Deshalb muss die Band neue Bühnenhunde besorgen.»
Ich blicke aufs Meer und atme tief durch. «Und was mach ich jetzt?»
«Du kannst gern nochmal selbst mit ihm reden. Aber, wie gesagt, wenn er dich in den Staaten vor Gericht bringt, kann es
noch teurer werden.»
«Sag ihm, ich bin in ein paar Tagen wieder da. Dann reden wir.»
«Hab ich schon. Er glaubt, dass du auf Zeit spielen willst. Deshalb sollst du ihm eine Schuldanerkenntnis faxen. Sonst reicht
er Klage ein.»
Ich überlege. «Und da gibt’s keine andere Möglichkeit?», frage ich dann.
«Wie gesagt, wenn er dich in den Staaten verklagt …»
«Schon gut», unterbreche ich. «Kannst du das für mich erledigen? Ich wollte dich sowieso bitten, mich in der Sache juristisch
zu vertreten.»
«Das mit dem Fax kann ich machen», erwidert Lisa. «Ob ich dich vertreten will, weiß ich aber noch nicht. Tommi ist, wie
gesagt, ziemlich sauer auf dich. Ich bin sicher, er findet es nicht so toll, wenn ich dir gegen Gordon helfe.» Sie räuspert
sich. «Außerdem gibt es da nicht viel Spielraum. Du wirst zahlen müssen, die Frage ist nur, wie viel.»
«Ja, das sehen wir dann», sage ich etwas unwirsch. Ich bin nicht eben begeistert davon, dass Gordon mir meine Ersparnisse
abknöpfen wird. Mehr noch ärgert mich aber, dass Tommi sich auf die Seite seines Geschäftspartners schlägt und dabei offenbar
auch Lisa in Sippenhaft nimmt. Noch vor ein paar Monaten hat Tommi mir gesagt, |70| wie glücklich er darüber ist, mich in der Familie zu haben. Daran muss ich ihn bei Gelegenheit mal erinnern.
Meine Laune ist im Keller. Ich beende das Gespräch und will aufbrechen, merke aber, dass ich mich nicht vom Anblick des
Meeres und des Himmels losreißen kann. Ich setze mich also wieder, blicke in die Ferne und atme den Duft dieses Spätsommertages
ein.
Alles halb so schlimm, denke ich nach einer Weile. Gordon kann das Geld haben. Ich brauche es eigentlich nicht. Obwohl ich
in einer großen Wohnung lebe, guten Wein trinke, oft auswärts esse und mir auch sonst nichts versagen muss, reicht mein
Gehalt sogar, um ein paar Rücklagen zu bilden. Ich schiebe jeden Monat eine mal etwas größere, mal etwas kleinere Summe
auf ein Sparkonto, ohne zu wissen, wofür. Ich habe keine Frau, die ich mit Schmuck behängen kann, keine Kinder, denen
ich Hobbys oder eine Ausbildung finanzieren kann, und ich selbst habe keine Wünsche, die so kostspielig wären, dass ich
sie mir nicht erfüllen könnte. Was also soll ich mit dem Geld? Dann bin ich
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