Da muss man durch
Geschmack nach zu urteilen |114| wurde der Kaffee noch zu Lebzeiten von Jimi Hendrix aufgebrüht.
«Okay, Paul, was hast du auf dem Herzen?»
Da ich nur eine Viertelstunde Zeit habe, erkläre ich Gordon in knappen Worten, dass ich den Vorfall mit Fred und den Rottweilern
sehr bedauere und selbstverständlich gewillt bin, für den Schaden aufzukommen. Dann schildere ich blumig Freds Verletzungen
und frage mich rein rhetorisch, ob nicht auch Gordons Rottweiler eine Mitschuld an dem Vorfall haben. Das wiederum bringt
mich zum springenden Punkt: «Ich halte es für angemessen, dass wir uns die Kosten teilen. Und es würde mir außerdem helfen,
wenn ich das Geld nicht auf einen Schlag zahlen müsste, weil die Summe ja nicht unbeträchtlich ist.»
Gordon nickt, greift nach einem Päckchen Tabak und beginnt, sich gemächlich eine Zigarette zu drehen. «Paul, Paul, Paul»,
sagt er nach einer Weile. Es klingt, als hätte er mich zum wiederholten Male beim Äpfelklauen erwischt. «Tommi hat mir erzählt,
dass du ein hohes Tier bei einer großen Zeitung bist. Du hast keine Familie und verdienst einen Haufen Kohle. Und jetzt machst
du hier einen auf arme Kirchenmaus. Das find ich echt nich fair, weißt du?»
Ich finde es nicht fair, dass der Mann meiner Exfrau wildfremde Leute über meine Vermögensverhältnisse informiert. Nachdem
sich meine Meinung von Tommi in den letzten Monaten etwas verbessert hatte, ist er gerade auf meiner Sympathieskala wieder
ein paar Millionen Plätze nach unten gerutscht.
«Tommi hat da wohl etwas falsche Vorstellungen von meinen finanziellen Möglichkeiten», erkläre ich. «Er kann wahrscheinlich
meine Kosten nicht richtig einschätzen und …»
|115| «Paul», unterbricht Gordon. «Erzähl mir bitte keine Geschichten. Ich muss mir jeden Tag irgendwelche Geschichten anhören.
Weißt du, im Musikbusiness wird von morgens bis abends gelogen und …»
«Soll das heißen, ich bin ein Lügner?», entgegne ich und spiele den Empörten, obwohl es mir völlig gleichgültig ist, was
Gordon von mir hält.
Er grinst. «Das soll heißen, wenn du nicht zahlen könntest, hättest du wahrscheinlich nicht die Schuldanerkenntnis unterschrieben.
Sonst müsstest du ja jetzt damit rechnen, im Knast zu landen.»
Ich muss zugeben, das ist eine ziemlich hellsichtige Schlussfolgerung. Gordon sieht mir an, dass ich beeindruckt bin.
«Also …?», fragt er und zündet sich seine schlechtgedrehte Zigarette an.
Ich überlege. In taktischer Hinsicht hat er klar die besseren Argumente, aber die Moral ist auf meiner Seite. Leider wird
mich das nicht davor bewahren, einen Haufen Geld zu verlieren.
«Ich dachte, wir könnten einen Kompromiss finden», sage ich. Es klingt wie eine Kapitulation, und Gordons zufriedenes Gesicht
zeigt mir, dass er meine Bemerkung auch genau so versteht.
Wir sehen uns an, dann schüttelt er den Kopf.
«Sonst noch was?», fragt er, und damit ist die Audienz beendet.
Beim Gehen will Snake mir einen Zwanziger für die Pizza zustecken. Ich winke ab. Der Besuch hat mich sowieso ein Vermögen
gekostet, da kommt es auf die Pizza auch nicht mehr an. Snake schenkt mir ersatzweise das letzte Album der Band.
|116| Es ist fürchterliches Geschrammel, Fred sieht das genauso, denn er jault sich die Seele aus dem Leib. Nach drei Songs ziehe
ich die CD aus dem Schacht und pfeffere sie mitsamt Hülle auf die Straße. Wenig später kostet mich das fünfzig Euro, weitere
fünfzig werden fällig, weil Fred ungesichert auf dem Beifahrersitz hockt. Die Polizisten finden, dass ich Glück gehabt habe,
denn die C D-Hülle hat den Einsatzwagen nur knapp verfehlt.
In der Videothek kann ich mich nicht zwischen «Ein Mann sieht rot» und «Hängt ihn höher» entscheiden. Ein spindeldürrer Angestellter
mit unreiner Haut kennt sich aus und empfiehlt mir «Das Gesetz der Rache» und «Ruf nach Vergeltung». Ich nehme zur Sicherheit
alle vier Filme mit.
Als die Lammkoteletts in der Pfanne brutzeln und der Rotwein atmet, ist meine Laune zwar immer noch angeschlagen, aber auf
dem Wege der Besserung. Fred liegt in seinem Korb und kaut zufrieden auf einem Markknochen herum.
Es klingelt. Schamski steht vor der Tür.
«Kann ich ’ne Weile bei dir wohnen?»
«Klar», sage ich. «Komm rein. Lust auf Lammkoteletts?»
«Perfekt», erwidert Schamski und steuert zielsicher jenes Zimmer an, in dem er bis vor ein paar Monaten gewohnt hat.
Beim Essen erfahre ich, dass
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