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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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müssen sich nicht sofort entscheiden», sagt sie dann. «Aber es wäre gut, wenn Sie mir Ihren Entschluss bis zu Ihrer
     Abreise mitteilen könnten. Wie Sie wissen, drängt die Zeit ein bisschen, besonders wenn wir uns noch um eine Alternative
     für den Vorstandsposten bemühen müssen.»
    Ich denke nach. Mit Schamski als meinem Stellvertreter und Engelkes, meinem Nachfolger als Personalchef, habe ich eine starke
     Lobby im Vorstand. Obwohl Timothy als Finanzchef eine wichtige Position bekleidet, dürfte er also nur mäßigen Einfluss auf
     die Vorstandsbeschlüsse haben. Außerdem kann es nicht schaden, wenn jemand, der sich offenbar in Finanzdingen auskennt,
     das Unternehmen gründlich durchleuchtet.
    «Schlafen Sie eine Nacht drüber und sagen Sie mir morgen   …», beginnt Elisabeth, doch ich unterbreche sie: «Nicht nötig, ich bin einverstanden.»
    Sie sieht mich aufmerksam an, hat wohl nicht mit einer solch schnellen Entscheidung gerechnet. Ich nicke, um meinen Entschluss
     zu bekräftigen.
    «Nun denn», sagt sie, und jetzt ist der Anflug eines Lächelns in ihrem Gesicht zu sehen. «Ich hoffe, Sie enttäuschen mich
     nicht, Herr Dr.   Schuberth.»
    «Da Ihre Erwartungen an mich nicht besonders hoch sind, müsste mir das gelingen, gnädige Frau», erwidere ich, ohne eine
     Miene zu verziehen.
    |106| Nach einem ausgedehnten Spaziergang am Meer, bei dem ich zu dem Entschluss komme, dass meine schnelle Entscheidung richtig
     gewesen ist, stehe ich vor meinem Schrank und überlege, ob ich Elisabeth zur Feier des Tages die Freude machen soll, zum
     Abendessen eine Krawatte zu tragen. Es ist immer noch sehr warm auf der Insel, und ich bin kurz davor, meine Bequemlichkeit
     über meine Höflichkeit siegen zu lassen, als im Nebenzimmer Stimmen zu hören sind. Einzelheiten kann ich nicht verstehen,
     nur Wortfetzen. Da ich weiß, dass Iris und Timothy nebenan wohnen, ist mein Interesse geweckt. Wie jeder andere halbwegs
     ordentliche Mensch käme ich nie auf die Idee, jemanden zu belauschen. Wie das BKA tue ich es aber trotzdem, wenn ich die
     Gelegenheit dazu habe. Ich halte also mein Ohr an die Wand, aber noch immer ist nur undeutlich zu verstehen, was Timothy
     und Iris nebenan besprechen.
    Ich habe mal in einem Film gesehen, dass ein Agent ein Gespräch mit Hilfe eines Glases belauschte. Er drückte den Glasboden
     an die Wand und hielt sein Ohr an die Öffnung. Offenbar werden so die Schallwellen verstärkt.
    Ich finde ein Glas, versuche es und bin angetan vom Effekt.
    «Es sind doch nur sechs Monate», höre ich Timothy beschwichtigend sagen. «Vor der Geburt bin ich bestimmt wieder in London.
     Und ich komme so oft, wie ich eben kann. Das verspreche ich dir. Mindestens einmal pro Woche.»
    «Darum geht es nicht», erwidert Iris. Sie klingt aufgebracht, aber auch ein wenig verzweifelt. «Ich möchte die Schwangerschaft
     mit dir gemeinsam erleben und   …»
    «Aber dann komm doch einfach mit nach Deutschland», unterbricht Timothy. «Ich miete uns ein Haus, und wir können jeden Tag
     zusammen sein.»
    |107| «Ich will aber nicht nach Deutschland», erwidert Iris barsch. Für einen Moment wird sie so laut, dass ich sie auch ohne
     Glas verstanden hätte.
    «Was soll ich denn deiner Ansicht nach machen?», gibt Timothy zurück, und auch ihn kann man nun ohne Hilfsmittel verstehen.
    «Sag den Job doch einfach ab.»
    Stille.
    Vielleicht hat sie recht, Timothy. Irgendwie wäre das für uns alle besser.
    «Schatz, so einfach ist das nicht. Und das weißt du auch. Deine Großmutter hat mir geholfen, jetzt bittet sie mich um Hilfe.
     Das kann ich ihr nicht einfach abschlagen.»
    Die gute alte Lissy hat es zuwege gebracht, dass selbst Timothy in ihrer Schuld steht. Respekt.
    «Warum kommst du denn nicht einfach mit?» Timothy klingt versöhnlich. «Wir machen uns ein paar schöne Monate in Deutschland.
     Vielleicht brauche ich auch kein halbes Jahr für den Job, und wir sind Weihnachten schon wieder in London.»
    «Ich will es einfach nicht», erwidert Iris bockig.
    Wieder herrscht Stille.
    Als ich schon denke, dass die beiden das Zimmer verlassen oder die Diskussion beendet haben, höre ich Timothy sagen: «Es
     ist wegen Paul, oder?»
    Mein Abhörglas fällt mir aus der Hand. Glücklicherweise landet es weich auf dem Bett, touchiert aber zuvor leider die Bettkante,
     wobei es einen Riss bekommt. Rasch bringe ich es wieder in Position, um möglichst wenig vom Gespräch zu verpassen, wobei
     das Glas gefährlich

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