Da muss man durch
Schamski die ohnehin nicht sehr glückliche Beziehung mit Katja beendet hat. Katja ist Schamskis
Sekretärin und der Grund, weshalb ihn seine Frau verlassen hat.
«So plötzlich?»
Schamski nickt, gießt sich Rotwein nach. «Dass aus mir und Katja nichts mehr werden würde, war mir eigentlich |117| schon klar, als ich diese Affäre mit meiner Kardiologin hatte. Vielleicht hätte ich es ja nochmal mit Katja versucht, aber
nach der Geschichte mit Melissa …»
Schamski wiegt den Kopf hin und her, überlegt.
«Ich bin ganz Ohr», sage ich und schiebe mir einen saftigen Bissen Lamm in den Mund.
«Na ja, könnte was werden», nuschelt Schamski und nimmt sich ein weiteres Lammkotelett.
«Könnte was werden», wiederhole ich mit vollem Mund. «Soso.»
«Ja», sagt Schamski gedehnt. «Wir haben uns verliebt.»
«Wie schön!», erwidere ich mit spontan besserer Laune und gieße mir Wein nach. «Und?»
«Und was?»
«Und wie geht es jetzt weiter?»
«Wie soll es schon weitergehen? Sie lebt in London, ich hier. Wir werden also eine Wochenendbeziehung führen, zumindest
fürs Erste.»
Schamski sieht mein leicht erstauntes Gesicht. «Was?»
«Wundert mich. Ich hab Melissa für eine Frau gehalten, die möglichst schnell heiraten möchte», erkläre ich. «Ich dachte,
sie will eine Familie. Und Kinder. Oder zumindest eins.»
«Will sie auch», erwidert Schamski. «Aber ist ja kein Problem.»
Ich stutze. «Wie? Soll das heißen, ihr legt es drauf an?»
Schamski nimmt einen ordentlichen Schluck Wein. «Ja, Paul, wir sind so frei. Wir dachten, es spricht nichts dagegen, zumal
wir ja beide auch schon volljährig sind.»
«Ist ja okay, ich finde es nur … gewagt. Ich meine, ihr kennt euch ja kaum.»
Schamski lehnt sich in seinem Stuhl zurück, verschränkt |118| die Arme. «Und wie lange muss man sich nach Meinung des Beziehungsexperten Dr. Paul Schuberth kennen, um ein Kind zu zeugen?»
Ich zucke mit den Schultern. «Keine Ahnung. Ein Jahr? Vielleicht zwei?»
Schamski lacht kurz auf. «Paul, es gibt Leute, die springen in Las Vegas besoffen über einen Besen und bleiben ihr ganzes
Leben zusammen. Andere trennen sich, nachdem sie fünfzig Jahre lang verheiratet waren. Ich würde daraus schließen, es gibt
kein Rezept für eine Beziehung.»
«Ich geb ja zu, da ist was dran. Andererseits sind Beziehungen aber auch nicht nur reines Glücksspiel.»
Schamski greift zur Weinflasche, grinst dreckig. «Das musst du mir erklären …», beginnt er.
«Kann ich gerne tun», unterbreche ich.
«… und zwar anhand der Geschichte von dir und Iris», vollendet Schamski mit einem Hauch von Häme.
Ein kurzes Schweigen. Wir sehen uns an, ich denke nach, dann winke ich ab. «Okay, du hast gewonnen. Die Liebe ist ein Glücksspiel.»
Wir schweigen wieder einen Moment, greifen fast synchron zu unseren Weingläsern, prosten uns zu und trinken.
«Keine Chance?», fragt Schamski fast beiläufig.
«Bei Iris?» Ich zucke mit den Schultern. «Ich würde sagen, das ist vorbei.»
«Schade», erwidert Schamski.
«Ja, finde ich auch. Aber da Timothy von ihrem Seitensprung weiß, wird sie alles daransetzen, ihm zu zeigen, dass die
Sache mit mir endgültig erledigt ist. Ich vermute also, ich werde sie nie wiedersehen.»
Schamski nickt, denkt einem Moment nach. «Hältst du |119| es eigentlich für eine gute Idee, mit einem eifersüchtigen Ehemann zusammenzuarbeiten?»
Wieder zucke ich mit den Schultern. «Hab ich eine Wahl?»
In der Ecke ist nun ein Rascheln zu hören. Fred zieht gerade seelenruhig einen Lammknochen aus dem Müll und beginnt, ihn
ohne Hast zu seinem Korb zu tragen.
«Hey! Das ist ja wohl nicht dein Ernst!», sage ich, als er an unserem Tisch vorbeischlendert.
Fred hält inne, blickt hoch und scheint zu fragen: Sollten ein Hund, dem man das halbe Ohr und ein Mann, dem man die große
Liebe genommen hat, sich wirklich wegen eines lächerlichen Lammknochens streiten?
«Schon gut, behalt ihn», winke ich ab, und Fred trottet weiter.
Wenig später verrät ein Knacken und Knirschen, dass er es sich schmecken lässt. Die Erlaubnis, den Lammknochen mitzunehmen,
versteht Fred als eine Art Generalvollmacht, denn noch mehrmals schlendert er an diesem Abend zum Mülleimer, um sich einen
weiteren Knochen zu genehmigen. Als er irgendwann versucht, den gesamten Müllbeutel in seinen Korb zu zerren, frage ich
ihn, ob er noch alle Tassen im Schrank hat. Fred zieht sich daraufhin in seine Ecke
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