Da muss man durch
vorbeigeschickt.»
Schamski muss erneut lachen. Dann schnappt er sich die Zeitung, die er gerade gelesen hat, hält sie mir hin und zeigt auf
einen Artikel.
Ich sehe, dass es sich um die Tageszeitung unseres Verlages handelt.
«Die Ausgabe von morgen», erklärt Schamski.
Unter der Überschrift «Kunst oder Tierquälerei?» mokiert sich ein Experte namens Prof. Dietmar Stünnes darüber, dass Gordons Band bei Konzerten Rottweiler mitwirken lässt. Stünnes kommt zügig zu dem Schluss,
dass es sich hierbei klar um einen Fall von Tierquälerei handelt.
«Laute Musik und Lichtreflexe können bei Rottweilern |135| schwere Nervenstörungen auslösen, die in Extremfällen sogar den Tod der Tiere verursachen», zitiere ich in ungläubigem Tonfall
aus dem Artikel.
Schamski zuckt mit den Schultern. «Für fünfhundert Mäuse und ’ne Kiste Wein vertritt Stünnes jede Expertenmeinung, die gewünscht
wird. Ich hab seine Nummer von einer Freundin, die bei einem Privatsender arbeitet.»
Ich lege die Zeitung zur Seite und sehe Schamski mit einer Mischung aus Respekt und Verachtung an. Er grinst. «Der Artikel
erscheint auch im Internet. Morgen werden ein paar Tierschützer die Fanseite von Gordons Band mit empörten Mails zumüllen.
Hat dich noch ein paar Hunderter gekostet. Außerdem will ein Tierschutzverein der Band Klage androhen.»
«Hat mich auch nochmal ein paar Hunderter gekostet?», mutmaße ich.
«Genau», sagt Schamski. «Das wollte ich dir heute Abend noch erzählen, damit du im Bilde bist, wenn Gordon anruft.»
«Wenn er mir für diese dreckige Nummer tatsächlich Schläger auf den Hals schicken würde, wäre das absolut gerechtfertigt»,
motze ich.
Schamski lächelt. «Keine Sorge. Melissa hat sich bei einer befreundeten Musikerin in London erkundigt. Und die hat gesagt,
Gordon benimmt sich zwar wie der Chef einer Garagenband, ist aber in Wirklichkeit ein knallharter Geschäftsmann. Er wird
sich also überlegen, ob er auf die Forderungen gegen dich verzichtet oder lieber seine Fans vergrault, was ihn wesentlich
mehr kosten könnte.»
«Und wenn ihn der Artikel nicht so beeindruckt wie gewünscht?»
«Dann hast du immer noch die Möglichkeit, es auf einen |136| Prozess ankommen zu lassen. Ich an deiner Stelle würde behaupten, dass die Rottweiler durch ihre stressigen Bühnenjobs hochneurotisch
und brandgefährlich geworden sind. Gordon müsste dann das Gegenteil beweisen.»
Erneut überlege ich. Schamski überrascht mich immer wieder mit seinen niederträchtigen Plänen, und auch diese Intrige scheint
gut gesponnen.
«Am Ende des Tages kannst du immer noch auf seine Forderungen eingehen», bemerkt Schamski beiläufig. «Ich hab ja gesagt,
mein Plan kann klappen, muss aber nicht.»
In diesem Moment öffnen sich an den beiden Enden des Flures fast zeitgleich zwei Türen, und Bronko und Günther erscheinen.
Der eine sieht aus wie ein Russe, der gerade von einem Mähdrescher überfahren worden ist, der andere scheint eben erst einem
der Elendsviertel von Kalkutta entkommen zu sein.
«Haben wir genug Vorräte, um die beiden aufzupäppeln?», fragt Schamski im Tonfall eines professionellen Entwicklungshelfers.
«Massenhaft Pastete und literweise Rotwein», antworte ich.
«Gut. Mehr kann man vom Leben nicht erwarten.»
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|137| Hoffentlich ist das der richtige Weg
Während Bronko duscht, ist Günther noch unentschlossen, ob er das ebenfalls riskieren will. Schließlich könnten sich trotz
Desinfektion und Tetanusspritze die Wunden entzünden. Schamski und ich versuchen, Günthers Bedenken zu zerstreuen, weil
er definitiv eine Dusche vertragen könnte. Als Bronko die Küche betritt, hat Günther sich glücklicherweise dazu durchgerungen,
ein Bad zu nehmen, vorsichtshalber aber nur lauwarm und ohne seifenhaltige Zusätze.
«Wenn du willst, können wir dich auch nur abstauben», ruft Schamski ihm hinterher. Günther hört es nicht, er ist bereits
im Bad verschwunden.
Ich habe Bronko ein Hemd und eine Hose geliehen. Seine Garderobe ist völlig verdreckt. Ob sie überhaupt noch zu gebrauchen
ist, wird sich nach der Wäsche zeigen. Meine Sachen sind Bronko sichtlich zu groß. Er wirkt schmächtig und verloren. Sein
Blick flattert durch die Küche. Dabei folgt das rechte Auge dem linken. Ob Bronko einen ansieht, kann man an seinem linken
Auge ablesen. Es ist quasi sein Zielauge. Bronko schielt heute noch schlimmer als gewöhnlich, was ein sicheres
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