Da muss man durch
fertigstellen möchte. Das Buch wird laut Frau Dahlen mit vielen Vorurteilen
aufräumen. Sie hat zum Beispiel herausgefunden, dass die Mobilität von spätmittelalterlichen Wanderarbeitern wesentlich stärker
eingeschränkt war als bislang angenommen. Womöglich sind sie so wenig gewandert, dass man über eine gänzlich neue Bezeichnung
für das Phänomen nachdenken muss. Wir haben das ungemein packende Thema nicht weiter vertiefen können, weil ich das Gespräch
freundlich, aber vorzeitig beendet habe. Sollte Frau Dahlen mal wieder in der Gegend auf Wanderschaft sein, ist sie jederzeit
in unserem Haus willkommen. Als Sekretärin kommt sie aber nicht in Frage. Nebenbei notiere ich mir, dass ich ein paar ernste
Worte mit unserem übermüdeten Personalchef reden muss.
|127| Im Falle von Aki Bashi könnte ich einfach ein Machtwort sprechen. Und dazu habe ich große Lust, denn Timothys Argumentation
geht mir gegen den Strich. Er findet die junge Bewerberin nämlich zu unseriös für unser seriöses Haus. Ich ahne, dass er
bei Elisabeth von Beuten kolportieren wird, dass ich neuerdings gepiercte Asiatinnen einstelle, die kaum volljährig sind.
Die zu erwartenden Diskussionen lassen mich dann doch zu Ellen Preez tendieren, obwohl ich ihr Auftreten und ihre Ansichten
genauso dröge finde wie die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft. Für Frau Preez spricht die Tatsache, dass
es auf Timothy zurückfallen wird, falls sie sich als Fehlgriff erweist. Ich gebe mich also geschlagen, und die graue Maus
bekommt den Job.
«Wie nobel», sagt Schamski beim Mittagessen, als ich ihm von dem spontanen Bürotausch berichte. «Und du hast keine Angst,
dass solche Aktionen deine Autorität untergraben?»
«Was hat das denn mit Autorität zu tun, wenn ich ihm mein Büro gebe?», entgegne ich etwas verunsichert.
«Na ja, das ist hier ist ein extrem konservativer Laden. Wo jemand in der Hierarchie steht, zeigt sich auch anhand des Büros,
des Dienstwagens oder des Spesenkontos.»
«Das ist doch alles völlig überholt», entgegne ich im Brustton der Überzeugung. «Das war vielleicht vor zehn oder zwanzig
Jahren mal so, aber heute interessiert sich im Job doch niemand mehr für Statussymbole.»
Schamski zuckt mit den Schultern. «Wenn du meinst.»
Nach dem Essen beeile ich mich, in Timothys neues repräsentatives Büro zu kommen, damit er sich nicht auch noch Görges’
Dienstwagen unter den Nagel reißt. «Haben Sie eigentlich einen Pkw?»
|128| «Noch nicht», erwidert Timothy. «Aber ich hab im Schreibtisch einen Schlüssel gefunden.»
«Ach! Das ist der von Dr. Görges», sage ich, als wäre ich erstaunt über Timothys Fund, werfe meine Autoschlüssel auf den Schreibtisch und schnappe
mir rasch die von Görges. «Sie können meinen Wagen haben, ich nehme dann den hier.» Ich halte den erbeuteten Schlüssel hoch.
Timothy scheint das gleichgültig zu sein. «Klar. Danke.»
«Keine Ursache. Gern geschehen.» Ich verlasse das Büro mit meinem neuen Dienstwagen und bin trotzdem unzufrieden. Es ärgert
mich jetzt maßlos, dass ich im Fall von Ellen Preez nachgegeben habe. Statt meine Autorität bei Görges’ Geländewagen unter
Beweis zu stellen, hätte ich dafür sorgen müssen, eine junge und innovative Bewerberin zur Vorstandssekretärin zu machen.
Aki Bashis Ideen werden jetzt bei einem Konkurrenzunternehmen sprudeln.
Um mich über meine erste Fehlentscheidung als Vorstandschef hinwegzutrösten, mache ich früher Schluss und probiere meinen
neuen Geländewagen aus. Dabei rutscht meine Laune endgültig in den Keller.
Der Wagen hat die Größe eines kleinen Lkw, im Kofferraum könnte man bequem meinen vorherigen Dienstwagen verstauen. Um vom
Beifahrersitz auf die Straße sehen zu können, muss Fred sich gehörig strecken. Er wirft mir genervte Blicke zu: Wie kann
man nur auf die Idee kommen, ein derart beschissenes Auto anzuschaffen?
Ausnahmsweise sind wir uns einig. Leider gibt es kein Zurück. Wenn ich Timothy jetzt sage, dass ich meine Mittelklasselimousine
wiederhaben möchte und er diesen Truck fahren soll, mache ich mich lächerlich.
Wahrscheinlich hat Görges den Wagen angeschafft, um die Ausrüstung für seine Angelausflüge bequem transportieren |129| zu können. Und weil er verheiratet ist und drei Kinder hat. Ich habe weder ein vergleichbares Hobby noch eine große Familie.
Deshalb wirke ich in einem riesigen Geländewagen nur wie ein Mann mit
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