Da muss man durch
gerade dieselbe Idee. «Du bleibst», ordne ich an.
Bronko schaut erstaunt hoch, und sein Zielauge zoomt auf mein Gesicht.
Ich nicke bestätigend. «Ich glaube zwar nicht, dass sie mehr von dir wollten als die Kohle und die Bilder, aber wenn doch,
dann bist du hier genauso sicher wie auf der Straße. Wir sind nicht verwandt und kennen uns erst ein paar Monate. Es ist also
praktisch unmöglich, dich hier zu finden.»
|141| Bronko denkt nach. Die Vorstellung, nicht mehr in Hauseingängen übernachten zu müssen, behagt ihm sichtlich.
«Außerdem wird es bald Winter», ergänzt Schamski.
Bronkos Blick wandert zwischen uns beiden hin und her, er wirkt gerührt. «Danke, Leute. Wirklich. Aber ich will euch auf
keinen Fall in Schwierigkeiten bringen.»
«Tust du nicht», erwidere ich. «Jedenfalls nicht über die Maßen. Nach Lage der Dinge haben wir sowieso schon Probleme mit
der CIA.»
«Was ist mit der CIA?», fragt Günther, der gerade in die Küche kommt. Sein Gesicht ist gerötet, aber er scheint sich immerhin
im Bad keine tödliche Infektion zugezogen zu haben. Während er sich an den Tisch setzt und zur Pastete greift, beobachtet
er, wie ich Fred zwei Lammkoteletts, die ich noch im Kühlschrank gefunden habe, in den Napf lege.
«Fred bekommt Lammkoteletts, obwohl er versucht hat, mich zu reißen?», fragt Günther leicht pikiert.
«Klar», sage ich. «Zur Belohnung. Wenn er es beim nächsten Mal schafft, dich auch zu apportieren, kriegt er ’n Steak.»
Günther ignoriert meine Bemerkung und gießt sich Wein ein. «Also, was ist mit der CIA?»
«Keine Ahnung. Sag du es mir. Sind sie hinter dir her?»
Günther lehnt sich zurück, macht einen überlegenen Gesichtsausdruck. «Schon möglich. Deshalb hab ich dich ja informiert.
Und deshalb war ich auch fast drei Tage unterwegs. Ich bin mit dem Bus nach New York gefahren, hab da ein Schiff nach Island
genommen, bin von dort nach Warschau geflogen und dann mit dem Zug hierhergekommen.»
|142| «Um was zu erreichen?», fragt Schamski ungerührt.
«Na, um Spuren zu verwischen», erklärt Günther ganz selbstverständlich.
Jetzt brauche ich auch mal einen großen Schluck Wein, denn eigentlich hatte ich es als Witz gemeint, dass wir ernsthaft
Probleme mit einer amerikanischen Bundesbehörde haben. «Wieso, um Himmels willen, bist du denn überhaupt auf der Flucht
vor der CIA?»
«Bin ich eigentlich gar nicht», erwidert Günther und schiebt sich gemächlich einen Happen Pastete in den Mund. «Ich wollte
nur erreichen, dass meine Frau mich nicht findet.»
Schamski und ich sehen Günther ausdruckslos an. Ich frage mich, wie es wohl in Günthers Gehirn aussieht. Ein wesentlicher
Teil ist wahrscheinlich mit Computerwissen vollgestopft. Dann gibt es noch ein paar Schubladen, in denen Elementarwissen
herumliegt, also beispielsweise eine Anleitung, wie man sich die Schuhe richtig zubindet. Weiter hinten, wo bei anderen
Leuten gesunder Menschenverstand und Lebenserfahrung gespeichert sind, stelle ich mir bei Günther eine Art Zirkusarena vor,
in der sich pausenlos Clowns mit Torten bewerfen.
«Du hast also die CIA ausgetrickst, damit deine Frau dich nicht findet», fasse ich zusammen, um sicher zu sein, nichts
falsch verstanden zu haben.
Günther nickt, als wäre das eine Leistung, auf die ein Mann stolz sein kann.
«Aber … wieso?», fragt Schamski ratlos und greift mit leiser Verzweiflung zu seinem Weinglas.
«Ganz einfach», erklärt Günther. «Wenn die CIA mich findet, dann weiß auch Iggy, wo ich bin. Ist doch logisch, oder?»
|143| Schamski setzt sein Glas ab. «Nein. Ich meine, warum musstest du überhaupt vor deiner Frau flüchten?»
«Weil sie mir das Leben zur Hölle macht», sagt Günther leicht aufbrausend. «Sie will ein Haus im Grünen. Und Kinder. Mindestens
drei. Und einen Hund will sie auch.» Er wirkt zerknirscht. «Ich hab einen Berg Schulden. Ich weiß nicht, wie ich das alles
finanzieren soll.»
Schamski und ich stürzen die Inhalte unserer Weingläser herunter. Günther hat in seinem Leben schon viel Quatsch gemacht.
Diesmal hat er sich selbst übertroffen.
«Und Iggy lässt nicht mit sich reden?», fragt Schamski und fingert hastig eine Zigarette hervor.
Günther schüttelt den Kopf. «Sie sagt, sie dachte, ich wäre einer der wenigen Männer, die wissen, was sie wollen. Nämlich
eine Familie und ein Zuhause. Deshalb hat sie mich geheiratet. Hätte sie gewusst, dass ich mir all das noch
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