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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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seine Firmen zu zerschlagen. Wenn wir Glück haben, bleibt uns am Schluss vielleicht eine kleine Wohnung.
     Sicher ist, dass Timothy ganz von vorn anfangen muss.»
    «Das tut mir wirklich leid», sage ich erneut. Das ist zwar nicht sonderlich originell, aber ich meine es ernst. Timothys
     Schicksal geht mir zwar mehrere Meilen am Arsch vorbei, doch der Blick in Iris’ traurige Augen zerreißt mir fast das Herz.
     «Weiß deine Großmutter davon?»
    Iris schüttelt den Kopf. «Sie hat ihm vor ein paar Monaten einen Kredit gegeben. Früher oder später wird sie es also erfahren.
     Ich möchte nur, dass das erst nach der Geburt passiert. Im Moment ist für mich das Wichtigste, mit Timothy ins Reine zu
     kommen.»
    Sie sieht das Erstaunen in meinem Gesicht.
    |195| «Was? Fragst du dich, warum ich meine Ehe retten will?»
    Ich atme durch. «Nein, ich frage mich, ob das hier vielleicht gerade meine allerletzte Chance ist», sage ich mit belegter
     Stimme.
    Sie sieht mich an, und ihre Augen füllen sich mit Tränen.
    «Komm mit mir», bitte ich sanft. «Ich könnte meine große Wohnung weggeben und für uns eine kleine mieten. Und keinen Job
     hab ich auch bald.»
    Sie lacht kurz auf, es ist mehr ein Beben, dann fließen die Tränen. «Glaub mir, Paul. Ich hab oft an uns gedacht. Und daran,
     dass jetzt alles anders sein könnte.»
    «Es ist noch nicht zu spät», sage ich. «Noch könnte alles anders sein.»
    Iris schüttelt den Kopf. «Paul, ich will meine Ehe nicht schon bei den ersten Schwierigkeiten einfach so wegwerfen. Verstehst
     du das denn nicht? Ich hab Timothy in den letzten Monaten im Stich gelassen. Und es wäre nicht fair, ihm allein an allem
     die Schuld zu geben.»
    Sie zieht ein Taschentuch hervor, putzt sich die Nase und trocknet ihre Tränen. Doch der Strom versiegt nicht. Iris kramt
     nach einem frischen Taschentuch. Ich setze mich zu ihr, reiche ihr meines und lege einen Arm um ihre Schultern. Sie schaut
     mir in die Augen, lehnt sich für einen kurzen Moment an mich, schluchzt und löst sich dann rasch wieder, als wäre ihr unsere
     plötzliche Nähe nicht ganz geheuer.
    «Er hat diese Affäre beendet», erklärt sie und versucht sich zu beherrschen. «Er hat mir gesagt, dass er mich über alles
     liebt. Dass er unser Kind will und eine gemeinsame Familie. Er bittet mich nur um diese eine Chance, und die kann ich ihm
     einfach nicht verwehren.»
    |196| Ich nicke traurig. Eigentlich könnte ich jetzt auch ganz gut weinen, aber Iris hat gerade mein Taschentuch.
    «Versteh mich, Paul», bittet Iris sanft. «Timothy ist nicht nur mein Mann, sondern auch der Vater meines ungeborenen Kindes.
     Ich brauche ihn. Und er braucht mich jetzt.»
    In diesem Moment wird mir klar, warum ich hier sitze. «Und er braucht den Job im Verlag», stelle ich sachlich fest.
    Iris nickt beklommen. «Ja, deswegen wollte ich mit dir reden», sagt sie und versucht, ihre Fassung zurückzugewinnen. «Ich
     hatte mir das Gespräch allerdings etwas anders vorgestellt.»
    «Sachlicher?», frage ich leichthin.
    «Sachlicher», bestätigt sie.
    Einen Moment lang schweigen wir.
    «Timothy macht also zusammen mit mir die Abwicklung, und wenn alles gut läuft, bleibt er danach Finanzchef. Ist das der
     Plan?»
    Iris nickt.
    «Und du wirst London verlassen und hier mit ihm leben.»
    Wieder nickt sie. «Zumindest vorerst.»
    Das Schicksal geht manchmal komische Wege. Jetzt soll ich die Ehe jener Frau retten, die ich gern selbst heiraten würde.
     Und meine Optionen sind, dass ich mich entweder weigere und Iris endgültig verliere, weil ich ihre Ehe zerstört habe, oder
     ihr helfe und Iris verliere, weil ich ihre Ehe gerettet habe. Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
    «Ich muss darüber nachdenken», sage ich.
    Iris sieht mich an. Ich ahne, dass sie fürchtet, ich könnte ihre Bitte ablehnen. «Paul, ich würde nicht hier sitzen, wenn
     ich nicht verzweifelt wäre.» Sie lächelt unsicher und |197| sieht mir nun direkt in die Augen. «Wenn du mich liebst, dann hilf mir bitte, meine Familie zu retten.»
     
    «Starker Tobak», sagt Schamski, als ich ihm die Geschichte erzählt habe. Wir stehen an seinem Arbeitsplatz, einem Glaskasten
     inmitten eines Großraumbüros. Ständig kommen irgendwelche Leute herein, um Unterlagen auf den ohnehin überquellenden Schreibtisch
     zu legen.
    «Raus! Tür zu!», brüllt Schamski, als ein junger Mann mit mehreren Stößen Papier am Eingang erscheint. Schamskis Mitarbeiter
     dreht

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