Da muss man durch
herzlich. «Was ist? Hast du Zeit? Wollen wir was trinken gehen?»
Ich habe den Eintritt gespart, also spricht nichts dagegen, das Geld für ein paar Gläser Wein auf den Kopf zu hauen. Außerdem
schäme ich mich ein bisschen, dass Karl sich wie ein Schneekönig über meinen Besuch freut und ich nicht des Stückes wegen
hier bin, sondern weil ich seine Hilfe brauche. Es ist also nur fair, ihn wenigstens auf einen Drink einzuladen.
Als ich nach ein paar Gläsern mit der Sprache rausrücke, reagiert Karl zu meinem Erstaunen sehr erfreut. «Perfekt! Du kannst
mich vertreten, bis mein Fuß wieder in Ordnung ist. Dann kommt Santos auch nicht auf die Idee, mich zu feuern. Das war nämlich
meine größte Sorge.» Karl kippt einen Brandy und winkt nach der Kellnerin. «Ob er für deine Freunde auch was hat, weiß ich
nicht, aber eigentlich werden immer gute Leute gesucht.»
Während Karl mir Santos’ Kontaktdaten auf einen Zettel kritzelt, ist die Kellnerin an unseren Tisch gekommen. Karl bekommt
einen weiteren Brandy, ich gönne mir noch ein Glas Wein. Es gibt ja immerhin was zu feiern: Wir sind wieder im Geschäft.
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|242| Okay, ich bin dabei
Man braucht gut zwei Wochen, um ein alter Hase im Promotiongeschäft zu werden. Es läuft folgendermaßen: Santos, ein Spanier
mit schwarzer Seele und weißem Geländewagen, wird von irgendeinem Geschäftsmann angerufen, der eine bestimmte Menge Werbeprospekte
an potenzielle Kunden verteilen möchte. Santos erarbeitet nun ein Konzept. Das macht er, indem er uns in irgendwelche Kostüme
steckt und sich dann binnen zwei Sekunden einen passenden Slogan dazu einfallen lässt. Die Kostüme besorgt er sich von notleidenden
Theatergruppen. Bezahlt wird dafür nichts, Santos revanchiert sich mit Werbeaktionen. Will ein Gewerbetreibender Santos’
Promotionleute buchen, zahlt der Kunde zwischen vierzig und fünfzig Euro pro Arbeitsstunde, je nach Umfang der Werbeaktion.
Wir Promoter bekommen drei Euro fünfzig pro Stunde. Das Geld wird am Ende der Schicht in bar ausbezahlt. Wir müssen es selbst
versteuern, was natürlich keiner tut. Santos juckt das nicht, er hat sich von jedem schriftlich geben lassen, dass niemand
ihn belangen kann. Die bescheidene Gewinnspanne von irgendwas jenseits der tausend Prozent hat Santos in Kneipen investiert,
für die er seine Promoter ebenfalls Werbung machen lässt. Jahr für Jahr kommen neue Kneipen hinzu, irgendwas muss Santos
ja schließlich mit dem vielen Geld machen, das er uns vom Munde abspart.
|243| Aber ich will nicht undankbar sein. Santos hat immerhin dafür gesorgt, dass wir es inzwischen zu bescheidenem Wohlstand gebracht
haben. Die Liegen in unserem Rohbau sind nun mit Decken und Kissen ausgestattet, es gibt eine Apfelsinenkiste mit einer Kerze
darauf, und jeder von uns hat einen Teller, eine Tasse und einen Löffel. Ich persönlich spare gerade auf eine Badehose.
Mit Glück und harter Arbeit werde ich das Geld im Spätherbst zusammenhaben.
«Ist er gerade da?», fragt Bronko.
Ich spähe durch die Sehschlitze meines Kostüms und suche nach Santos. Keine Spur von ihm. Glücklicherweise ist er zu misstrauisch,
um Leute einzustellen, die uns kontrollieren. Das macht er lieber selbst. Weil er dazu verschiedene Strandabschnitte besuchen
muss, hat man immer mal wieder eine Weile Ruhe vor ihm.
Bronko und ich ziehen die Köpfe unserer Kostüme ab und lassen uns in den Sand fallen. Wir sind heute als Pinguine verkleidet
und machen Werbung für ein Erlebnisbad. «Da fühlen sich selbst die Pinguine wohl», lautet der Slogan. So ganz passend ist
das nicht, weil Pinguine ja eigentlich kältere Regionen bevorzugen, aber Santos hat im letzten Moment umdisponieren müssen.
Die Seepferdchenkostüme, die wir ursprünglich tragen sollten, wurden weiter südlich bei der Eröffnung eines Fischrestaurants
benötigt.
Uns ist es gleichgültig, in welchen Klamotten wir geschmort werden. Bei Außentemperaturen von um die dreißig Grad herrschen
im Inneren sämtlicher Kostüme klimatische Bedingungen wie in der Sahara, nur feuchter. Leider gehören wir nicht zu jenen
privilegierten Mitarbeitern des Promotionteams, die man ohne Verkleidung auf die Leute loslassen kann. Drahtige Surfertypen
und vollbusige Cheerleaderinnen |244| dürfen ihre Prospekte an den Partystränden in Badekleidung verteilen. Männer wie uns lässt Santos da gar nicht hin, weil
wir nicht wie Promoter aussehen, sondern
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