Da muss man durch
wahrscheinlich einmal eine Apartmentanlage werden
sollte. Vor dem Innenausbau ist den Investoren offenbar das Geld ausgegangen. Fenster und Türen fehlen, Wände und Decken
sind unverputzt, auch der Boden besteht aus nacktem Beton. Im Erdgeschoss haben sich Wasserlachen gebildet, weiter oben
sind die Räume trocken. Überall liegt Bauschutt herum, trotzdem ist zu erahnen, dass die Wohnungen sehr schön geworden wären.
Das Haus ist terrassenförmig an den Hang gebaut, und von den Balkonen aus hat man einen phantastischen Blick aufs Meer. Die
Räume sind großzügig geschnitten und mit breiten Fensterfronten ausgestattet.
Letzteres ist ein Problem, weil ein scharfer Wind durch die Bude pfeift. Erst nach längerem Suchen finden wir einen Platz,
der genug Schutz vor Wind und Wetter bietet |236| und außerdem so weit von der Straße entfernt liegt, dass wir ein kleines Feuer aus Bauholz anzünden können, ohne auf uns
aufmerksam zu machen.
Als wir unsere Sonnenliegen um das Lagerfeuer verteilt und etwas gegessen haben, sieht die Welt schon wieder freundlicher
aus.
«Ist doch gar nicht so schlecht hier», sage ich und lasse mich zufrieden auf meine Liege sinken.
«Wahrscheinlich gibt’s Ratten», unkt Günther.
Fast gleichzeitig ist unweit ein kurzes, entschlossenes Knurren, gefolgt von einem erschrockenen Fiepen zu hören. Zwei Ratten
schießen panisch an uns vorbei, dann kommt Fred seelenruhig angetrottet.
«Wegen der Ratten brauchen wir uns also keine Sorgen zu machen», stellt Bronko fest.
«Wir brauchen uns sowieso keine Sorgen zu machen», ergänzt Schamski. «Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Da bin ich ganz
sicher.»
Tatsächlich scheint am nächsten Morgen die Sonne. Nach einer erholsamen Nacht starten wir optimistisch in den Tag. Schamski
hat die Idee, unsere Sonnenliegen nach Palma zu bringen und dort am Strand zu vermieten. «Wir nehmen fünf Euro pro Stück.
Macht zwanzig Mäuse. Davon können wir Wäsche waschen und uns duschen. Vielleicht ist sogar noch ein Kaffee drin. Und heute
Abend nehmen wir die Liegen einfach wieder mit zurück.»
Brillanter Plan. Wir verstauen die Liegen im Wagen und tuckern in Vorfreude auf unseren Badetag Richtung Palma.
«Ups», sagt Schamski, während er die gestohlene Kleidung inspiziert.
|237| «Was ist?», frage ich alarmiert.
«Ich glaub, ich hab ein paar Flittchen beklaut.» Schamski hält einen knallroten, sehr billig aussehenden Spitzen-BH hoch.
«Heißt das, wir haben nichts anzuziehen?», fragt Bronko von hinten.
«Doch», sagt Schamski, derweil er weiter die Wäsche durchwühlt. «Hier sind ein paar T-Shirts und Trainingshosen. Wird schon gehen.»
Ein paar Stunden später fühlen wir uns wie neue Menschen. Wir haben unsere Liegen vermieten können und sind nun geduscht und
rasiert.
Der zweite Teil unseres Plans hat einen kleinen Haken. Schamski hat beim Durchwühlen der gestohlenen Wäsche nicht genau hingesehen.
Die angeblichen Trainingshosen sind Leggings, und bei den T-Shirts handelt es sich um knallbunte, mit Strass besetzte und tiefdekolletierte Discofummel. Immerhin hat Schamski offenbar recht
korpulente Flittchen beklaut, denn die Sachen passen einigermaßen.
«Und? Wie sehe ich aus?», fragt Schamski bester Laune. Er hat schwarze Leggings mit einem grünen Shirt kombiniert.
«Ausgezeichnet», sage ich. «Der tiefe Ausschnitt bringt deine wunderschöne Brustbehaarung gut zur Geltung.»
«Gelb steht mir nicht!», motzt Günther und zeigt uns türkisfarbene Leggings, die er mit einem eidotterfarbenen Shirt kombiniert
hat.
«Du kannst die hier haben», sagt Bronko und hält Günther eine weiße Rüschenbluse hin.
«Können wir langsam mal zum Ende kommen?», frage ich. Meine pinkfarbenen Leggings sind ein bisschen eng im |238| Schritt, ich möchte deshalb so schnell wie möglich wieder meine eigenen Klamotten anziehen.
Günther nimmt die Rüschenbluse, zieht sie an und ist offenbar zufrieden mit dem Ergebnis. Er dreht sich zu mir. «Geht das
so?»
«Wunderschön», sage ich. «Wie eine Prinzessin.»
Günther nickt zufrieden und zupft seine Rüschen zurecht.
«Auf geht’s», sagt Schamski. «Wenn jemand fragt, dann sind wir drei Balletttänzer und ein stämmiger Homosexueller.»
«Wer soll denn der stämmige Homosexuelle sein?», fragt Günther und überprüft noch kurz im Spiegel, ob seine Rüschenbluse
richtig sitzt.
Am frühen Nachmittag sind wir rasierte und gewaschene Männer in frisch
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