Da muss man durch
an?», fragt Günther gereizt.
«Weil Paul lieber zwanzig Jahre bei trocken Brot und Wasser verbringt, als sich Predigten von Tommi anzuhören», sage ich
barsch.
Schweigen.
«Ich könnte Kathrin fragen», meldet sich Bronko zu Wort. Alle Köpfe drehen sich zu ihm. «Wir bräuchten aber ein bisschen
Geld zum Telefonieren.»
Eine halbe Stunde später erreichen wir Palma. Der Regen hat nachgelassen.
|233| «Ich mach das nicht», sagt Günther zum wiederholten Male.
«Und ob du das machst», entgegne ich ohne einen Funken Mitleid. «Du warst einverstanden, dass wir Lose ziehen. Du hast verloren.
Und deshalb gehst du jetzt betteln.»
«Ich bin krank», wehrt sich Günther verzweifelt.
Schamski drückt ihm einen alten Pappbecher in die Hand. «Je eher du es hinter dich gebracht hast, desto früher kannst du
dich auskurieren.»
Günther verzieht missmutig das Gesicht, dann schnappt er sich den Becher und dackelt die Fußgängerzone hoch.
Zwei Stunden später sind wir im Besitz von etwas mehr als zehn Euro.
Der Anruf bei Kathrin bringt keinen durchschlagenden Erfolg, aber einen kleinen Lichtblick. «Sie überweist zweihundert Euro
an das Konsulat», verkündet Bronko. «Wir können es übermorgen abholen. Mehr war leider nicht drin.»
«Das dürfte genug sein, um wieder auf die Beine zu kommen», mutmaße ich. «Wir können davon tanken und einkaufen. Dann duschen
wir, waschen unsere Klamotten und suchen uns Jobs.»
«Und was tragen wir, während wir unsere Klamotten waschen?», fragt Günther höhnisch.
Ich überlege. Der Regen wird wieder stärker. Wir wollen zurück zum Auto, aber Schamski reagiert nicht. Er betrachtet ein
leerstehendes Ladenlokal auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
«Was ist denn?», will ich wissen.
Schamski sieht mich an. «Wie viele unbewohnte Häuser gibt es wohl auf der Insel?»
«Um diese Zeit nicht sehr viele», sage ich, und dabei wird |234| mir klar, was Schamski im Schilde führt. «Außerdem ist es illegal, in fremde Häuser einzubrechen. Selbst wenn man nichts
stehlen, sondern nur übernachten will.»
Schamski nickt nachdenklich.
Wir verlassen Palma auf der Küstenstraße in südwestlicher Richtung. Es wird langsam dunkel. Die Straßen, Strände und Grünflächen
wirken verwaist. Bei dem Wetter befindet sich keine Menschenseele im Freien. Wer das Geld dazu hat, lässt sich jetzt massieren,
genießt ein gutes Essen oder feiert eine Party. Neidisch betrachte ich im Vorbeifahren die erleuchteten Fenster der Hotelkästen.
«Halt mal da vorn», sagt Schamski. Ich tue es, er springt raus und verschwindet im Gebüsch. Wenig später ist er wieder zurück
und zerrt eine Sonnenliege hinter sich her.
«Das ist ebenfalls illegal», sage ich ungerührt.
«Es gäbe vier davon», erwidert Schamski. «Wenn wir eine Bauruine finden würden oder einen anderen trockenen Platz, könnten
wir uns heute Nacht wenigstens mal ausschlafen.»
Bronko und Günther sind ebenfalls ausgestiegen.
«Was meint ihr?», frage ich. Beide zucken mit den Schultern.
«Okay. Wir machen es», entscheide ich.
Vier Männer, vier Sonnenliegen und ein Hund passen nur knapp in einen kleinen Kastenwagen. Nachdem wir keine fünf Minuten
gebraucht haben, um die Liegen zu stehlen, benötigen wir fast eine halbe Stunde, um sie im Wagen unterzubringen. Dann ist
auch das geschafft.
«Moment noch», sagt Schamski, schlägt sich erneut in die Büsche und bleibt diesmal deutlich länger weg als zuvor. Wir beginnen
schon, uns Sorgen zu machen, da kehrt |235| Schamski zurück, springt in den Wagen, lässt einen Packen Kleidung in den Fußraum fallen und sagt: «Fahr los.»
«Du hast auch noch Klamotten geklaut», stelle ich nüchtern fest.
«So ist es», erwidert Schamski zufrieden. «Günther hat völlig recht. Was ziehen wir an, während wir unsere Sachen waschen?
Außerdem war das Zeug zum Trocknen rausgehängt. Die Besitzer haben sicher noch andere Klamotten dabei und können den Verlust
verschmerzen.»
Irgendwo an der Küste finden wir einen verlassenen Rohbau, der alles andere als einladend wirkt, aber zumindest den Regen
abhält. Zuvor haben wir das wenige Geld, das uns von Günthers Bettelei geblieben ist, in Wurst und Käse investiert. Schamski
und ich wollten lieber eine Flasche Wein kaufen, haben uns aber breitschlagen lassen, damit zu warten, bis das Geld von
Kathrin angekommen ist.
Unser neues, vorübergehendes Zuhause ist ein mehrgeschossiges Objekt, das
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