Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
anstrengend genug und ich habe keine Lust, mir auch noch mit dummen fragen Löcher in den Bauch bohren zu lassen?“
Also war Leonardo von nun an stille und sagte kein Wort mehr. Allerdings erschien ihm der Wächter reichlich empfindlich zu sein. Eigentlich hatte Leonardo erwartet, mit dem Wächter nun das prachtvolle Portal hinaufzugehen, das zum Haupteingang des Palastes führt.
Aber stattdessen nahmen sie einen Nebeneingang.
Er folgte Franco durch eine Reihe von Fluren. Überall roch es gut. Aus manchen Räumen drang der Geruch von köstlichen Speisen. Wenn es nicht gerade um das Schicksal der Republik Florenz gegangen wäre, dann hätte Leonardo liebend gern von den Köstlichkeiten genascht, die da wahrscheinlich zubereitet wurden. Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
„Wir sind in der Küche!“, stellte er fest.
„Natürlich sind wir in der Küche.“
„Ich dachte, es geht zum Audienzsaal von Herrn Cosimo!“
„Ich bitte dich!“
Leonardo wurde in einen der Küchenräume geführt und angewiesen, sich an einen Tisch zu setzen. Einer der Köche fragte: „Ist er das?“
Franco nickte. „Ja.“
„Ich verstehe unseren Herrn nicht. Warum gibt er armen Bettlern immer wieder Almosen und füttert sie durch?“
„Weil es ihn beim Volk beliebt macht“, sagte Franco. „Wenn ein Armer hier verköstigt wird, wird er es hundert anderen Armen weiterzerzählen und sie werden alle sagen, dass Cosimo de’ Medici sie verköstigt hat!“
Der Koch wandte sich an Leonardo: „Du bekommst ein Stück Käse und ein Stück Brot. Iss es hier oder verschwinde gleich, das ist mir gleichgültig!“ Der Koch legte Brot und Käse vor Leonardo auf den Tisch. „Bitte! Du kannst dich nicht beklagen! Ich wette, du hast in deinem Leben noch nie so viel zu Essen auf einmal bekommen!“
„Ich werde es mitnehmen und mit meinem Freund teilen“, kündigte Leonardo an.
„Ganz wie du willst, mein Junge“, erwiderte der Koch. „Dann geht du am besten gleich wieder zu ihm.“
„Nicht bevor ich mit Cosimo de’ Medici gesprochen habe“, beharrte der Junge. „Es werden die Pläne der Festungsanlagen von Florenz nach und nach aus dem Palast entfernt und von einem Mann in Vinci kopiert, der sie dann wiederum einen Vierten übergibt. Und dieser Bote bringt sie den Feinden!“
Der Koch wandte sich an Franco.
„Schaff mir dieses anstrengende Kind aus der Küche! Die Barmherzigkeit unseres Herrn Cosimo mag soweit gehen, Arme zu speisen – aber meine Barmherzigkeit geht nicht so weit, dass ich mir dieses unerträgliche Gerede anhöre!“
„Es ist die Wahrheit!“, beharrte Leonardo.
Es half jedoch alle nichts.
Franco packte Leonardo von hinten am Kragen und schob ihn auf den Flur. „Du hast bekommen, was du wolltest, jetzt sei zufrieden!“, sagte der Wächter rau. „Jeder andere Bettler in der Stadt wäre glücklich mit dem Stück Brot und dem Stück Käse, die du bekommen hast! Aber du kannst einfach nicht genug bekommen, was? Hinaus mit dir, du Undankbarer!“
So sehr Leonardo auch protestierte – schon wenige Minuten später stand er wieder auf der Straße und konnte sich nun sicher sein, dass man ihn auf keinen Fall ein zweites Mal in den Palast lassen würde.
Leonardo fragte sich bis zu dem Stadttor durch, an dem Carlo auf ihn wartete.
Dieser kannte seinen Freund gut genug, um gleich erkennen zu können, dass er keinen Erfolg gehabt hatte.
„Wenigstens haben wir etwas zu essen“, sagte Leonardo. „Dir knurrt wahrscheinlich auch schon der Magen so sehr wie mir!“
„Das kannst du wohl laut sagen“, bestätigte Carlo. Sie teilten sich das Brot und den Käse und hielten erst einmal eine Mahlzeit ab. Dabei erzählte Leonardo dem Freund, was geschehen war.
„Es hat mich einfach niemand ernst genommen!“, stellte Leonardo empört fest. „Die haben noch nicht einmal überprüft, ob mein Vater nicht vielleicht wirklich für Cosimo de’ Medici Dienste als Notar verrichtet! Für die war gleich klar, dass ich nur ein Bettler sein kann – und entsprechend haben sie mich dann auch behandelt!“
Carlo nahm einen Bissen von seinem Käsestück. „Na ja“, sagte er mit vollem Mund. „Dass man dich für einen Bettler gehalten hat, hat auch seine Vorteile gehabt, würde ich sagen. Ich glaube kaum, dass man uns sonst uns irgendwo so etwas serviert hätte!“
Eine Weile berieten sie, was sie tun sollten.
Aber nachdem Brot und Käse aufgegessen waren, waren sie sich darüber einig, dass sie hier in
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