Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
das Haar zurück und musterte die beiden anderen eingehend. Dann schüttelte er den Kopf. „Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, wie die Banditen so dumm sein konnten, zwei Dorfjungen wie euch gefangen zu nehmen. Das lohnt sich für die doch nie im Leben!“
„Wir haben aus Versehen einen Brand ausgelöst und ich denke, die Banditen sind deswegen auf uns aufmerksam geworden“, erklärte Leonardo. „Aber genau weiß ich das natürlich nicht. Sie haben unterwegs nicht viel gesprochen.“
„Kann ich mir denken“, sagte der Junge.
„Darf ich mal fragen, mit welch hochwohlgeborenen Prinzensohn wir es bei dir zu tun haben, dass diese Männer dich entführt haben?“
„Naja, Prinzensohn ist etwas übertrieben“, gab er zu. „Mein Name ist Luca di Gioia. Mein Vater ist Emanuele di Gioia, ein Handelsherr aus Florenz. Vielleicht hat du schon von ihm gehört…“
„Nein“, sagte Leonardo.
„Ich aber!“, mischte sich Carlo ein. „Mein Vater bezieht verschiedene Waren bei ihm.“
„Reich ist er jedenfalls“, fuhr Luca fort. „Er wird eine ziemlich große Summe für mich zahlen müssen.“
„Wie lange bist du schon hier?“, wollte Leonardo wissen. Luca zuckte mit den Schultern.
„Genau kann ich das nicht sagen. Einige Tage. Ich habe ein bisschen den Überblick verloren.“
„Und warum ist das Lösegeld nicht schon längst bezahlt worden?“
„Keine Ahnung. Die Maskierten haben mir auch nichts gesagt. Aber ich nehme an, die wollen meine Eltern erst mal ein bisschen schmoren lassen, damit sie sich richtig Sorgen machen und hinterher mehr zahlen!“
Er hob die Schultern, musterte Carlo und Leonardo noch einmal kurz und meinte dann: „Tja, ich hoffe für euch, dass eure Eltern die nötigen Summen zusammenbekommen. Sonst sieht es schlecht für euch aus.“
Sie schwiegen eine Weile. Luca zeigte den beiden neuen Gefangenen einen Bereich in der Grube, wo der Boden einigermaßen trocken war und man sich hinsetzen konnte.
Dort ließen sie sich nieder.
„Wir sollten darüber nachdenken, wie wir hier so schnell wie möglich wieder herauskommen“, flüsterte Leonardo. Luca konnte da nur lachen. „Was glaubst du, worüber ich die ganze Zeit gegrübelt habe?“, gab er zurück. „Während ich in diesem Loch saß, hatte ich ja nun wirklich Zeit genug dazu, etwas zu überlegen. Aber die Böschung der Grube ist zu steil und rutschig, um ohne Hilfe hinaufzugelangen. Und außerdem lassen die Banditen auch immer ein paar ihrer Leute hier an der Höhle zurück.“
„Die anderen reiten dann weg?“, hakte Leonardo nach.
„Ja. Zumindest nehme ich das an. Ich kann das immer nur danach beurteilen, wie viele Stimmen ich höre und ob ich irgendwo den Hufschlag von Pferden ausmachen kann. Manchmal täuscht man sich aber auch.“
Carlo rieb sich erst die Hände, dann die Oberarme. „Es ist wirklich verflucht kalt hier! Wie hast du das nur die ganze Zeit über ausgehalten?“
„Ich stelle mir ganz intensiv ein Lagerfeuer vor. Manchmal wirkt das für eine Weile. Außerdem bewege ich mich dauernd, sonst spürt man nach einer Weile nämlich seine Hände und Füße nicht mehr.“
Leonardo fühlte nach der Brille, die noch immer in der Tasche seiner Weste steckte. Leider konnte er damit an diesem Ort, an den kein Sonnenstrahl gelangte auch nicht Feuer machen. Er blickte die Böschung empor. Sie war wirklich sehr steil und vor allem schien sie ihm leicht abzubröckeln. Dort ohne eine Strickleiter hinaufzugelangen war wohl so gut wie unmöglich. In seinem Hirn rasten die Gedanken nur so. Er wollte sich einfach nicht damit abfinden, hier womöglich für längere Zeit fest zu sitzen und am Ende von den Maskierten auch noch umgebracht zu werden, weil sein Vater und sein Großvater nicht in der Lage waren, ein Lösegeld aufzubringen, das den Maskierten hoch genug war. Er stand wieder auf und lief unruhig hin und her. Aber so sehr er auch darüber nachdachte, er fand einfach keine Lösung für das Problem. Vielleicht konnte man Stufen in die Böschung hineingraben! Mit den Fingern betastete er das Erdreich. Sofort bröckelte getrockneter Lehm hervor. Ob man hier wirklich Vertiefungen graben konnte, in denen es möglich war, Tritt zu fassen und empor zu klettern, war zweifelhaft.
Stimmen ließen Leonardo aufhorchen.
Sie kamen von draußen.
Unter den maskierten Banditen schien Streit aufgekommen zu sein. Sie schimpften sich gegenseitig an. Leonardo konnte nicht jedes Wort verstehen, aber es reichte, um zu erkennen, dass
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