Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
machen wir jetzt?“, fragte Carlo.
Leonardo sah zu den Flammen hinüber. Der Wind trieb das Feuer auf den Bach zu. Es breitete sich nicht weiter in Richtung des Waldrandes aus. Die Felsenkante, die Leonardo und Carlo hinaufgeklettert waren, konnte es nicht überwinden.
„Ich glaube, hier sind wir sicher“, sagte Leonardo. Er steckte die Brille, die der Auslöser dieses Brandes war, in die Tasche seiner Weste, die er über seinem Hemd trug.
„Wir sollten in einem weiten Bogen nach Vinci zurückkehren“, schlug Carlo vor.
Aber Leonardo schüttelte den Kopf. „Nein, wir sollten zunächst beobachten, wie sich das Feuer verhält und wohin es sich wendet. Ich glaube nämlich, dass der Brand bald zu Ende ist!“
„Wie kommst du darauf? Für mich sieht das eher umgekehrt aus!“
„Der Brand kann nicht über den Bach und auch nicht über die Felsenkante. Irgendwann sind das Gras und die Sträucher in dem Bereich verbrannt und wenn der Wind die Flammen nicht in Richtung des Waldrandes treibt, stirbt das Feuer vielleicht.“
Sie saßen da und warteten ab. Tatsächlich war das Gras schnell niedergebrannt. Hier und da glühte es noch, aber der Brand begann zu verlöschen. Ein Strauch brannte noch lichterloh. Aber auch dort gingen die Flammen langsam zurück und ließen ein paar verkohlte Stängel übrig.
Ein Rascheln im nahen Wald ließ die beiden Jungen dann zusammenfahren. Sie blickten sich um. Äste knickten. Schatten waren im Unterholz zu sehen und Vögel wurden aufgeschreckt. An mehreren Stellen brachen Reiter aus dem dichten Gestrüpp hervor. Die Reiter waren mit Halstüchern maskiert. Nur die Augen waren zu sehen. Zumeist trugen sie ihre Hüte und Mützen tief ins Gesicht gezogen. Manche von ihnen hatten Schwerter gezogen. Davon abgesehen waren einige der Männer mit Armbrüsten ausgerüstet.
Banditen!, dachte Leonardo sofort.
Auf dem Weg zwischen der Hafenstadt Pisa und Florenz lagen sie immer öfter auf der Lauer nach reichen Reisenden, die man entweder bestehlen oder für man Lösegeld verlangen konnte. Acht Reiter waren es insgesamt.
Einige von ihnen sprangen von den Pferden und nahmen ihre Umhänge von den Schultern. Damit schlugen sie auf die verbliebenen Flammen ein und versuchten sie zu löschen. An den meisten Brandherden hatten die Flammen ohnehin schon stark nachgelassen. Jetzt wurden auch die letzten Stellen, an denen noch Glut zu finden war, ausgetreten und die brennenden Sträucher gelöscht.
Leonardo ahnte, was ihnen blühte, wenn sie diesen Männern in die Hände fielen. Dass man ihnen alles wegnahm, was irgendeinen Wert besaß, war dabei noch nicht einmal das Schlimmste. Schließlich war das Wertvollste, was sie bei sich hatten, Carlos Schuhe. Leonardo lief barfuß.
Noch war es schließlich nicht Herbst.
„Komm!“, sagte Leonardo und Carlo folgte ihm ein paar Schritte in den Wald hinein. Sie hetzten durch das Unterholz, aber es war schon bald klar, dass sie nicht weit kommen konnten. Aus dem Unterholz kamen weitere Reiter und stellten sich ihnen in den Weg.
„Keinen Schritt mehr!“, sagte einer von ihnen. Auch er hatte sein Gesicht zum größten Teil mit einem schwarzen Tuch verdeckt. Da er außerdem noch eine modische, schräg sitzende Kappe trug, waren nur seine Augen zu sehen. Über dem linken Auge zog sich eine Narbe über die Stirn. Leonardo nahm an, dass sie wahrscheinlich von einem Schwertduell herrührte.
Die Augen selbst waren dunkelbraun und sie musterten Leonardo auf eine Weise, die dieser als unangenehm empfand. Er stieg vom Pferd und einer seiner Männer richtete eine Armbrust auf die beiden Jungen. „Keine Bewegung oder ihr werdet durchbohrt!“, knurrte der Armbrustschütze.
Leonardo und Carlo erstarrten zu Salzsäulen. Der Puls schlug ihnen bis zum Hals.
Währenddessen bemühten sich einige der Reiter nach wie vor, die letzten, noch vorhandenen Brandherde zu löschen.
„Was machen wir mit den Jungs?“, fragte einer der Maskierten an den Mann mit der Narbe gerichtet. Er schien der Anführer dieser Bande zu sein. „Kurzer Prozess?“
„Sie sind lästige Zeugen!“, mischte sich ein Dritter ein. „Ich bin dafür, kein Risiko einzugehen.“ Er zog sein Schwert und richtete es auf Leonardos Brust. Dann berührte die Spitze der Klinge sein Kinn und hob es etwas hoch.
Leonardo wagte es nicht, sich zu rühren.
Er hielt den Atem an.
„Wir nehmen sie mit“, entschied der Narbige.
Leonardo und Carlo wurden gepackt und jeweils zu einem der Reiter in den
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