Dabei und doch nicht mittendrin
bürsten«.
Konturen und Voraussetzungen gelingender Integration
Im Idealfall ließe sich eine gelungene Integration statistisch daran festmachen, dass im Arbeitsleben die Besetzung von Stellen durch Migranten über verschiedene Hierarchieebenen und Berufszweigen demselben Muster gehorcht wie jene der einheimischen Erwerbstätigen. Und diese Argumentation ist auf den Bildungssektor zu übertragen, wo sich die Bildungsverläufe und Platzierungen von Schülern mit und ohne Migrationshintergrund sowie ihre spätere Verteilung in unterschiedlichen Berufen in der Wirtschaft, Politik und Verwaltung repräsentativ wiederfinden müssten. Gemäß dieses Gedankens dürften langfristig bei einer vollständig gelungenen Integration auch das Ausmaß an psychischen Erkrankungen, an deviantem, normabweichendem Verhalten, aber auch der Grad der Lebenszufriedenheit statistisch keine bedeutsamen Abweichungen von der Verteilung in der einheimischen Bevölkerung aufweisen. Etwas technisch gesprochen, könnte das Ideal gelungener Integration in einer strukturellen Angleichung (der Teilhabechancen) bei gleichzeitiger kultureller Vielfalt und Eigenständigkeit gesehen werden.
Noch aber weisen Migranten im Vergleich zur deutschen Bevölkerung deutlich mehr Risikozustände und Gesundheitsbelastungen auf; zum Beispiel haben türkische Migranten im Vergleich zu Deutschen wesentlich stärkere Depressionssymptome. 34 Das liegt jedoch nicht allein daran, dass sie »Fremde« sind, sondern vielfach zu benachteiligten Gruppen gehören, deren größere Anfälligkeit durch eine höhere Stressbelastung zu den gut dokumentierten Belegen der gesundheitspsychologischen Forschung gehören. 35
Auch weisen die empirischen Daten für den Bildungs- und Arbeitsmarkt nach wie vor ungünstige Konstellationen auf:Sowohl die Zahl der Arbeitslosen als auch die Zahl der Beschäftigten in geringer qualifizierten Berufen ist bei Migranten deutlich höher. 36 Die gleiche Schieflage lässt sich im Bildungsbereich ablesen. Die naheliegende Annahme aber, die geringere Integration von Migranten im Berufsleben hänge mit ihrer geringeren Bildung zusammen, lässt sich so nicht halten: Wie sich anhand relativ neuer Erhebungen zeigt, ist auch bei der Gruppe der Migranten mit höherer Bildung (mit Abschlüssen an deutschen Universitäten und Fachhochschulen) die Erwerbslosenquote (bei Frauen wie bei Männern) höher als bei einheimischen Hochqualifizierten, obwohl höher gebildete Migranten deutlich bessere Integrationswerte aufweisen als geringer gebildete.
Die Verwaltung ist in modernen Gesellschaften einer der größten Arbeitgeber und deshalb von eminenter Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Verwaltung übertrifft selten die Fünf-Prozent-Marke. Dabei wird gerade in Behörden Identifikation und Vertrauen des Bürgers in staatliches Handeln erzeugt; der Bürger sieht in diesen Einrichtungen und den dort angestellten Personen den Staat repräsentiert. Wenn da jedoch kaum Migranten als Beschäftigte anzutreffen sind, kann eine Identifikation, ein Gefühl der Zugehörigkeit, sich kaum ausbilden.
Auch die Diakonie und Caritas vergeben in Deutschland viele und wichtige Arbeitsplätze; Muslime haben trotz vorhandener Kompetenzen hier kaum Chancen auf hauptamtliche Mitarbeiterstellen, allenfalls als Reinigungskräfte.
Legt man diese Daten zugrunde, so scheint eine Integration bei weitem nicht gelungen. Das Manko,
de facto
eine Einwanderungssituation zu haben, ohne sich als ein Einwanderungsland zu verstehen und dementsprechend nur zögernde Bemühungen für eine Integration unternommen zu haben, hat der renommierte Migrationsforscher Klaus J. Bade auf den Punkt gebracht: »Ein Einwanderungsland wider Willen solltesich über gelegentliche widerwillige Einwanderer nicht wundern.« 37
Mit Blick auf die Relevanz von Bildung als Integrationsfaktor deuten die Daten des Mikrozensus darauf hin, dass binationale Partnerschaften – insbesondere von ausländischen Männern – mit höherer Bildung signifikant ansteigen. Und binationale Partnerschaften weisen einen deutlich günstigeren Eingliederungsprozess auf als monokulturelle; insofern scheint Bildung sowohl direkte als auch indirekte Einflüsse auf Integration auszuüben. 38
Für die richtige Einschätzung der Integrationsleistungen müssen natürlich die bereits Eingebürgerten – und damit im juristischen Sinne deutschen Staatsbürger – mitbetrachtet werden. Denn
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