Dackelblick
etwas lauter. Als Daniel den Knoten ertastet hat, streicht er behutsam mein Fell auseinander.
»Aha. Habe ich mir schon gedacht.«
Carolin schaut ihn ganz beunruhigt an. »Was Schlimmes?«
Brrr, jetzt bin ich auch beunruhigt. Fällt mir vielleicht gleich mein Öhrchen ab? Abgesehen davon, dass ein gutes Gehör für jeden Jagdhund wichtig ist, wäre ich dann auch mit Sicherheit der hässlichste Dackel der Welt.
Daniel schüttelt den Kopf. »Nein, nein, keine Sorge. Das ist bloß eine Zecke.«
Puh, ich bin erleichtert. Von Zecken habe ich schon mal gehört, die sind zu überleben. Ich selbst hatte zwar nie eine, aber Emilia hat uns nach unseren Tobestunden im Schlosspark immer gewissenhaft danach abgesucht.
»Allerdings«, fährt Daniel dann fort und gibt seiner Stimme einen Klang, die die Sache mit dem abfallenden Öhrchen doch nicht so weit hergeholt erscheinen lässt, »allerdings scheint sich das Ganze entzündet zu haben. Die Bissstelle ist ziemlich warm und eitert schon ein bisschen. Natürlich können wir die Zecke jetzt mit einer Pinzette rausziehen, aber ich würde mit Herkules sicherheitshalber mal zum Tierarzt fahren.«
O nein, bitte nicht zum Tierarzt! Es schaudert mich, und ich merke, wie sich mir buchstäblich die Nackenhaare aufstellen.
»Mensch, Herkules, du kannst ja richtig böse gucken«, stellt Daniel belustigt fest.
Wüsste nicht, was daran so komisch ist.
»Offensichtlich versteht uns dein neuer Mitbewohner ganz genau, und zum Tierarzt will er wohl auf keinen Fall. Schau mal, er macht sich ganz steif.«
Er reicht mich zu Carolin, die mich auf den Arm nimmt und mir beruhigend über den Kopf streichelt. »Och, Herkules, musst doch keine Angst haben. So ein Besuch beim Tierarzt ist gar nicht schlimm.«
Also, mit Verlaub, das weiß ich ja wohl besser. Von den Anwesenden bin ich doch der Einzige, der diese Erfahrung schon mal als Patient gemacht hat. Sogar schon zweimal. Beim ersten Mal habe ich mich von dem freundlichen Gesäusel noch täuschen lassen, bis diese Gestalt namens Tierarzt plötzlich eine Hautfalte von mir hochzog und mit einer Nadel zustach. Das muss man sich mal vorstellen - mit einer Nadel! In meine empfindliche Haut! Tierarzt nicht schlimm? Es ist immer wieder erstaunlich, was für einen Blödsinn Menschen mit dem Brustton der Überzeugung von sich geben. Wie gerne würde ich in solchen Momenten mit ihnen sprechen können!
Während ich noch damit hadere, dass aus all meinen zweifelsohne wichtigen und zutreffenden Gedanken nichts weiter als ein lautes Bellen werden kann, klingelt es an der Tür. Carolin setzt mich wieder ab und öffnet.
»Hallo, ihr alle!«
»Hallo, Nina! Mensch, dich hätte ich jetzt fast vergessen. Ich fürchte, unser Plan für heute Mittag ändert sich etwas.«
Nina guckt enttäuscht. »Och, wieso? Was ist denn passiert?«
»Herkules hat sich eine Zecke eingefangen, und das Ganze hat sich entzündet. Ich muss mit ihm mal eben zum Tierarzt. Später schaffe ich es nicht mehr, da habe ich zu viele Kundentermine.«
»Schade! Aber vielleicht dauert die Aktion nicht so lange, und wir gehen hinterher etwas essen? Dann komme ich jetzt einfach mit. Wo soll's denn hingehen?«
»Tja, darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich so schnell schon einen Tierarzt brauchen würde. Hast du vielleicht einen Tipp, Daniel?«
Daniel denkt nach, jedenfalls legt er seine Stirn in Falten, und das ist meist ein untrügliches Zeichen dafür. Überhaupt muss ich mir mal angewöhnen, Menschen mehr ins Gesicht zu schauen. Da erfährt man doch sehr viel über die momentane Stimmung. Mittlerweile habe ich zwar schon einiges in Sachen »Versteh einer die Menschen« gelernt, aber vielleicht könnte mir Beck noch ein paar Nachhilfestunden geben.
»Also, unser alter Tierarzt war spitze, aber ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt noch praktiziert. Der war eigentlich der Beste und dafür stadtbekannt. Wagner hieß er, die Praxis war hier gleich um die Ecke, in der Hellmannstraße. Ruf doch mal die Auskunft an.«
Keine halbe Stunde später sitzen wir schon zu dritt in Dr. Wagners Praxis. Der von Eschersbach'sehe Tierarzt kam immer auf das Schloss, insofern ist mein Tierarztbesuch heute doch eine Premiere. Und ich muss zugeben: Hätte ich nicht solche Ohrenschmerzen, wäre es hier eigentlich recht interessant. Von meinem Platz auf Carolins Schoß kann ich genau sehen, dass in der Transportbox unter dem Stuhl neben uns zwei
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