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DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

Titel: DACKELKRIEG - Rouladen und Rap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ada Blitzkrieg
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und war mir ziemlich sicher, dass ich die Natur einfach so austricksen könnte, wenn das Messer nur scharf und der Wille nur stark genug wären. Mir erklärte damals niemand, dass der Busen der Bereich zwischen den Brüsten ist, und heute bin ich eigentlich ziemlich froh darüber, dass ich diesen Bereich nicht weggeschnitten habe.
    An die Brüste wagte ich mich erst ein paar Jahre später, mit Paketband und Panzertape. Ich war damals coole Skaterin und beim Sport störte mich alles was nervig überstand und somit einfach räumlich überflüssig war. Da gab es keine Kompromisse, auch nicht bei körpereigenem Gewebe. Ich war durch und durch Pragmatikerin - auch bei meinen Brüsten. Ich klebte die Fleischteile also so gut es ging mit Klebeband ab oder trug mehrere Badeanzüge übereinander, damit die gigantische Brustmasse stramm, kindlich und so aerodynamisch war, dass mein Body im Windkanal des aufregenden Skaterlebens immer mit der Bestnote abschneiden konnte. Die Sache hatte allerdings einen großen Haken: Mutter.
    Diese bemerkte meinen stark ansteigenden Badeanzugkonsum von teilweise drei bis vier Anzügen, die ich zu dieser Zeit übereinander trug und bat mich mal wieder zu einem "ernsten Gespräch". Was würde passieren? Würde sie mir nun mitteilen, dass sie auch gerne Badeanzüge trug und ich mich wohl bei ihr angesteckt hätte? Gespannt setzte ich mich auf mein knarrendes Kinderbett, dessen Kopfende ich mit Flausch-Aufklebern und Glow-In-The-Dark Stickern aufgehübscht hatte. Ich wollte möglichst weit weg von ihrem Herz und dem kleinen Körper sitzen, in den das besagte Organ unaufhörlich den Saft pumpte, der sie immerzu antrieb "ernste Gespräche" mit unschuldigen Menschen, wie mir oder meinem Bruder zu führen oder ihr die Energie verlieh im Kinderzimmermüll nach Anzeichen meiner Pubertät oder einer möglichen Drogensucht zu fahnden.
    „Badeanzüge bestehen nicht aus Baumwolle.“ „Aha.“ „Deine Badeanzüge bestehen aus Synthetik!“
    Da war es. Das böse Wort. Sofort war ich hellhörig. Ich saß kerzengerade im Bett. Hatte ich doch schon als kleines Kind stets eingeimpft bekommen, dass Synthetik etwas ganz Schlimmes sei. Es gab die sieben Todsünden und es gab Synthetik, die alle sieben Todsünden vereinte. Wenn du nicht brav bist, dann kaufen Papa und Mama dir Kleidung aus Synthetik! Synthetik war keine echte Faser, denn Synthetik war synthetisch, unecht und ein Imitat. Krank machende Chemie mit der ahnungslose Teeniemütter ihre kleinen Maiks einkleideten, bis diese alle Neurodermitis oder ADHS bekamen. Synthetik war
Möbel Roller
zum Anziehen. Synthetik war der Piña Colada Geschmack unter den Textilstoffen.
    Ich kannte Mutters angeekelten Blick nur zu gut, wenn wir im großen
NKD
standen und sie es den Textilien gleich beim ersten Betasten anmerkte „Das ist doch Synthetik!“. Das Textilschild bestätigte sie jedes Mal aufs Neue. Sie hatte sich in Bezug auf Synthetik bisher noch niemals geirrt und so sollte es auch bleiben.
    Im gleichen Laden in dem wir unsere Baumwollkleidung kauften, gab es auch ein riesiges Aquarium mit großen Welsen, die mit ihren geilen Blasemündern unaufhörlich die Scheiben des tonnenschweren Aquaristikwunders sauber lutschten, oder kleine Kieselsteine in ihren
Günter Verheugen
Mund einsaugten. Das Aquarium im
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war ein regelrechter Besuchermagnet für Kinder und anderen Menschen mit einem Intelligenzquotienten unter Achtzig. Damals wie heute aß ich keinen Fisch, denn Fisch war mir, wie alles was aus dem Meer kam, höchst suspekt. Dennoch liebte ich die Welse und ihr unaufhörliches Gelutsche sehr. Zumindest, wenn es um Speisen ging, hielt ich mich von Fisch fern. Fisch roch nämlich nicht nur stark nach Fisch sondern hatte auch glibberiges Weißfleisch, das zum größten Teil aus Fisch bestand und mich dennoch eher an Qualle als an essbares Protein erinnerte. Wenn es eine Art Skala für Fleisch-Qualitätsstufen gegeben hätte, wäre Fisch immer nur Stufe 1 gewesen: Wasserleiche. Fisch eben, braucht kein Mensch.
    Später würde mir meine niedrige Jodzufuhr noch zum Verhängnis werden, mahnte mich meine besorgte Familie. Ohne Fisch würde ich schon bald sterben, sagte mein Vater mit bierernster Miene und schob sich eine weitere Gabel Aal in den weit aufgerissenen Mund. Los, iss deinen Fisch, Ada! Vater wäre extra mit seinem
Opel Kadett
im Schritttempo die verkehrsreiche Umgehungsstraße bis zum Kaufhaus
GROSS
gefahren, um Fisch zu kaufen, damit Leute wie ich

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