Daddy Uncool
wegsehen musste. Es erinnerte mich an ihren Blick bei der Beerdigung.
»Nichts«, sagte ich. »Ich habe nicht gelacht.«
Sie stützte sich auf den Armlehnen des Sessels hoch, um ihre Beine zu entfalten und sie anschließend übereinanderzuschlagen. Sie trug leichte schwarze Slipper, die wie Ballettschuhe aussahen.
»Es hörte sich aber so an«, sagte sie.
»Tut mir leid«, erwiderte ich.
Sie wippte mit einem Fuß und begann, eine Halskette mit kreisenden Bewegungen um ihren Zeigefinger zu wirbeln. Sie hielt kurz inne, um gleich wieder damit fortzufahren. Ich sah den letzten Harry-Potter-Band in ihrem Bücherregal stehen.
»Du magst Harry Potter?«, fragte ich.
Sie zuckte mit den Achseln, als ob die Frage sie verärgert hätte. Ich seufzte frustriert.
»Ich habe die ersten beiden Bände gelesen«, sagte ich beharrlich, »aber ich hatte keine Gelegenheit, die weiteren zu lesen. Ich habe gehört, dass …«
»Warum machst du dir die Mühe?«, fragte sie, ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich richtend.
»Ich wollte die Reihe zu Ende lesen …«, sagte ich.
»Das meinte ich nicht«, fuhr sie fort. »Ich meinte, hierherzukommen und mit mir zu sprechen, als ob du mein Vertrauenslehrer wärst.«
»Weil ich dein Vater bin«, sagte ich, obwohl das hohl und unbeholfen aus meinem Mund klang. »Ich mache mir Sorgen um dich.«
»Oh, wirklich?«, sagte sie sarkastisch. »Und hast du dir auch letzte Woche, letzten Monat oder letztes Jahr Sorgen gemacht?«
»Hör mal, ich …«
»Die Antwort ist nein , Dad, falls du darüber nachdenkst«, unterbrach sie mich. Das lief wirklich gut.
»Wie hätte ich das können?«, sagte ich und bemühte mich, möglichst vernünftig zu klingen. »Ich habe nicht …«
Oh Gott, wie bin ich auf diese Schiene geraten?
»Du hast was nicht?«, fragte sie und änderte ihre Position, sodass sie mir nicht mehr gegenübersaß.
Ich holte tief Atem.
»Ich habe überhaupt nicht von deiner Existenz gewusst«, sagte ich endlich, in der Gewissheit, dass sie mich genau da hatte, wo sie wollte.
Ich hörte das Knarzen der Treppe. Wahrscheinlich wurden wir überwacht.
Was für ein gottverdammter Mist.
»Was willst du jetzt machen?«, fragte ich.
»John Terry treffen, den Mount Everest besteigen, zum Mond fliegen … was meinst du?«
»Was uns betrifft«, sagte ich. Ich fühlte mich ziemlich ernüchtert. Die Richtung, die das Gespräch nahm, verursachte ein Gefühl in mir, als ob mein System gleich zusammenbrechen würde. Wahrscheinlich fühlte es sich so an, wenn man langsam starb.
Caitlin zuckte mit den Achseln. Es war zum Glück kein Achselzucken des Abscheus oder, noch schlimmer, der Verachtung. Es drückte eher Verwirrung darüber aus, ein Gespräch mit einem Fremden zu führen, der sich als ihr Vater vorgestellt hatte. Sie ließ wieder ihre Kette kreisen. Mir war klar, dass die Vorstellung, bei mir zu leben, trotz der wenigen Wahlmöglichkeiten, die sie hatte, ihr so reizvoll erscheinen musste, wie Rose West zu pflegen.
Ich wusste nicht weiter. Wie konnte ich ihr vermitteln, dass es bei mir immerhin besser war als im Armenhaus? »Hör mal«, sagte ich. »Ich kann mir vorstellen, wie du dich im Moment fühlen musst. Was du durchgemacht hast seit … Und ich kann verstehen, dass du dich darüber wunderst, mich noch nie zuvor gesehen zu haben …«
»Glaubst du?«, unterbrach mich Caitlin. Es klang sarkastisch und trotzig zugleich. Eine echte Leistung.
»Weißt du, deine Mutter und ich, wir … Es ging irgendwie nicht gut mit uns.«
Sie hörte auf, mit ihrer Kette zu spielen, und begann, mit den Fingern auf die Armlehne zu trommeln. Ich vermutete, dass sie mir zuhörte, obwohl sie wegsah. Das war immerhin schon etwas besser. Mit etwas Glück war doch ein Gespräch mit diesem unnahbaren Mädchen möglich.
»Verdammt«, sagte sie endlich.
Offensichtlich kamen wir voran.
»Du wusstest nicht mal, dass ich existierte.«
»Ich verstehe«, sagte ich, als ob das eine angemessene Antwort wäre. »Tut mir wirklich leid.«
Sie drehte sich um und sah mich an. Ihre Mundwinkel waren vor Ärger heruntergezogen, aber ich sah noch etwas anderes, das diesen Ausdruck irgendwie abmilderte.
Ich seufzte. Wie konnte ich sie durch den Schmerz erreichen?
»Hör zu, du bist ein kluges Mädchen«, begann ich. »Das Leben steckt voller Überraschungen, Dinge laufen nicht immer so, wie man sich das vorstellt …«
Sie hörte auf, mit den Fingern zu trommeln, und sah wieder weg.
»Wir haben getan, was wir
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