Daddy Uncool
sie ihre Aufmerksamkeit auf das Fenster mit Blick auf die Straße richtete.
Verdammt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit diesem Wesen kommunizieren sollte.
»Hallo«, sagte ich.
»Hallo«, antwortete sie.
»Ist es in Ordnung, wenn ich mich setze?«, fragte ich.
Sie nickte. Ich zog einen Stuhl unter dem Schreibtisch hervor. Ich stellte ihn weit genug von ihr auf; ich hatte noch nicht verarbeitet, wie groß sie war. So groß, dass ich sie für sechzehn gehalten hätte. Sechzehn. Ein Alter, in dem du offiziell noch keinen Alkohol trinken und auch noch nicht für dein Vaterland sterben darfst. Aber da gab es noch andere Dinge, auf die ich nicht im Entferntesten vorbereitet war. Dinge, mit denen sich Sechzehnjährige beschäftigten. Dieser Gedanke war Furcht einflößend.
Das war kein Kind.
Andererseits natürlich doch.
»Und, kümmern sie sich hier gut um dich?«, fragte ich. Ich wusste, dass das ein mäßiger Start war, aber ich hatte keine Ahnung, was unter den gegebenen Umständen richtig war. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich einfach irgendein Geräusch machen, um das Schweigen zu brechen.
Sie nickte wieder. »Wahrscheinlich«, sagte sie endlich.
Ich saß vornübergelehnt auf der Stuhlkante, sodass meine Krawatte meine Knie berührte. Ich war total angespannt. Also setzte ich mich anders hin und schlug meine Beine übereinander, um relaxt und offen zu wirken, was aber wegen meiner Kleidung schwierig war. Ich trug meine normale Arbeitskleidung - Anzug und Krawatte. Es fühlte sich nicht richtig an. Viel zu steif. Caitlin hatte bestimmt genug von Männern in Anzügen; Sachbearbeitern, Anwälten, Leuten mit Akten und Dossiers. Ich versuchte, sie nicht anzustarren, aber ich sah sie mir doch genau an. Ich wollte etwas von mir wiederfinden. Vielleicht war es ja Einbildung, aber die Gesichtsfarbe schien zu stimmen, und Caitlin hatte auch die hohe Stirn aus der Familie meiner Mutter.
»Und, was haben sie dir erzählt?«, fragte ich.
Caitlin sah zu mir auf. Irgendwo im Haus schlug eine Uhr vier Mal.
»Nicht viel«, sagte sie. Ich wusste nicht, ob das den Tatsachen entsprach. Die Sozialarbeiter hatten sie bestimmt auf dieses Gespräch intensiv vorbereitet. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie diese Situation aus ihrer Sicht wirken musste. Vielleicht wollte sie nicht einmal, dass ich hier war. Und, ehrlich gesagt, wer konnte ihr das verdenken?
»Du weißt Bescheid über uns?«, versuchte ich, sie zu ermuntern.
Sie änderte ihre Position leicht und begann schnell zu sprechen.
»Nur, dass meine Mutter ein Testament gemacht hat, in dem steht, dass sie Kontakt zu dir aufnehmen sollten.«
Ich überlegte einen Moment. Sie hatte nicht das Wort Dad benutzt. Sie hatte keine Anspielung auf unsere Beziehung gemacht, aber auch nicht auf das Nichtvorhandensein einer solchen. Sie gab nur Tatsachen wieder, die ihr so vermittelt worden waren.
»Oh«, sagte ich. Dieses »Oh« war ziemlich flach. Es zeigte Enttäuschung, wo eigentlich keine war - es war eher ein Eingeständnis unserer Distanz. Ich lächelte, weil ich nicht wollte, dass sie meine Enttäuschung bemerkte, weil eigentlich sie die Enttäuschte sein müsste, wenn man meinen kläglichen Auftritt bedachte. Es war ja nicht so, dass ich den Raum betreten und damit alle ihre Probleme gelöst hatte. Und besonders umwerfend war ihr plötzlich aufgetauchter mysteriöser Vater ja nun auch nicht.
Für ein paar Momente herrschte Stille. Ich blickte mich suchend im Zimmer um. Ich suchte nach irgendetwas, das einen Anlass zu einem Gespräch bot. Ich forschte in meinem Gehirn nach den einfühlsamen Sätzen, die ich mir zurechtgelegt hatte.
Nichts.
»Sie haben mir erzählt, dass du mein Dad bist.«
Das D-Wort.
Sie sagte es auf so unbeteiligte Art, als würde sie über das Wetter oder das Fernsehprogramm sprechen. Ich veränderte meine Sitzposition und umfasste meine Knie mit den Händen. Es war kaum zu glauben, dass wir beide diese Unterhaltung führten.
Eben schien es, als hätte sich eine Beziehung zwischen uns entwickeln können. Und dann hatte Caitlin vollkommen beiläufig wieder losgelassen. Ich sah mich in dem Zimmer mit den abgenutzten IKEA-Möbeln um. In diesem Rahmen wirkte ihr Verhalten irgendwie angemessen.
»Das ist richtig«, sagte ich. »Ich bin dein Vater.«
Ich weiß nicht genau, warum (wahrscheinlich die Nerven), aber ich kicherte etwas, als ich das sagte.
»Was ist so lustig?«, fragte sie. Ihr Blick war jetzt verändert. Sie sah mir in die Augen, bis ich
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